Alle Rache Will Ewigkeit
doch bald mal.«
»Ja, machen wir. Es tut mir leid, ich muss Schluss machen. Ein Meeting mit den Mitarbeitern, das ich noch vorbereiten muss.«
»War schön, mit dir zu sprechen. Wie immer.«
»Und mit dir auch.« Jay legte auf, saß da und starrte mit leerem Blick auf den Bildschirm. Natürlich gab es nichts zu finden. Wie sollte etwas zu finden sein, nach all der Zeit?
Aber trotzdem …
Charlie fand Nick vor dem Gerichtssaal sitzend, wo der Fall verhandelt wurde, mit dem er zu tun hatte. In seinem formellen Outfit sah er gediegener aus, als sie ihn je gesehen hatte. Ein gutsitzender schwarzer Anzug, ein hellblaues Hemd mit dunkelblauer Krawatte und glänzende Schuhe – das war eine Garderobe, von der sie nie geglaubt hätte, dass er so etwas besaß, und schon gar nicht, dass er sie tatsächlich tragen würde. Er war rasiert, und die Frisur war nicht wirklich ordentlich, aber er hatte sich jedenfalls gekämmt. Er lächelte schwach. »Hi, Charlie.«
»Wie war das Wochenende?«, fragte sie und setzte sich neben ihn.
»Arbeit, Arbeit und dann zwischendurch noch mehr Arbeit. Wir hatten einen eindeutigen Hinweis, mussten aber trotzdem eine Überwachung durchführen. Da ging mein Wochenende also den Bach runter. Ich hatte gehofft, gestern Abend bei einer Session in Kilburn dabei sein zu können, aber ich kam erst nach Mitternacht heim.« Er seufzte. »Immerhin konnten wir endlich konkrete Beweise gegen diese Mistkerle sammeln. Wie steht’s mit dir?«
»Wir sind nach Skye gefahren.«
»
Speed bonny boat
und so weiter?«
»Jetzt nicht mehr, es gibt eine Brücke. Und auch sehr hilfsbereite Typen von der Bergwacht.« Charlie erzählte ihm, was sie von Eric und Calum erfahren hatte. »Dass das Messer in der Tasche steckte, hätte reines Glück sein können und ist noch kein Beweis gegen Jay«, schloss sie.
»Dann war es also Zeitverschwendung«, seufzte Nick.
»Nicht ganz. Es gibt da noch den Anruf beim Rettungsdienst. Eine Frau meldete sich und sagte, sie riefe aus dem Hotel an, weil Jay und Kathy nicht zurückgekommen seien. Aber niemand vom Hotel hatte den Anruf getätigt. Es ist kein großes Hotel, Nick. Da laufen nicht Scharen von Personal herum. Besonders nicht im Februar, kann ich mir vorstellen. Etwas stimmt da nicht.«
»Leider ist das kein Beweis für irgendetwas. Oh, übrigens, ich wollte dir etwas sagen. Ich hatte bei Stratosphone Glück. Sie wurden 2005 von MXP Communications übernommen, und zufällig haben wir Durchsuchungsbefehle für MXP wegen dieses Falls von Kinderhandel. Ich hab mit der Kollegin gesprochen, die mit ihnen zu tun hatte, und bat sie, mir zu helfen. Natürlich hab ich ihr nicht gesagt, worum es geht, nur dass es am Rande damit zusammenhängt. Jedenfalls hakt sie für uns bei MXP nach.«
»Das ist großartig. Danke, dass du dich so eingesetzt hast, Nick. Aber der komische Anruf ist nicht das Einzige, was ich herausfinden konnte. Ich habe neulich Magda angerufen, als Jay weggefahren war. Ich wollte schauen, ob über sie etwas herauszufinden ist. Und du wirst nicht glauben, was ihr einfach in den Schoß fiel.«
»Wetten, dass ich’s doch glaube?«
»Achthunderttausend Euro. In nicht zurückverfolgbaren Inhaberobligationen.«
»Verdammt«, sagte er. »Ich meine, wie kann das sein?«
Charlie brachte ihn auf den neuesten Stand und genoss sein Erstaunen. »Es zeigt sich also, dass Philip ein noch größerer Gauner war als seine beiden Kollegen«, schloss sie.
Nick runzelte die Stirn. »Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Warum sollte er sie verpfeifen, wenn er da auch mit drinsteckte? Warum eine Ermittlung riskieren, bei der er selbst vielleicht mehr als die anderen in die Mangel genommen würde?«
»Das hab ich mich auch gefragt. Oberflächlich gesehen, ist es unsinnig. Aber vielleicht fand er, dass sie zu leichtsinnig waren und sie alle miteinander unnötigen Risiken aussetzten, und er wollte so der Sache ein Ende bereiten. Es wäre natürlich eine ziemlich gefährliche Strategie. Aber …« Sie hielt inne und seufzte. »Heute Morgen im Zug auf dem Weg hier herunter hatte ich eine Idee. Die Briefe sind das Motiv für den Mord, richtig?«
»Stimmt. Ohne die Drohung, dass Philip sie verraten würde, hätten Barker und Sanderson keinen Grund gehabt, ihn umzubringen. Sie waren seine Partner, die Firma war erfolgreich, sie waren alle dabei, tüchtig abzusahnen.«
»Was wäre also, wenn Philip die Briefe gar nicht geschrieben hätte?«
Es folgte eine lange Pause,
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