Alle Robotergeschichten
sie ab.
»Er schaut nicht aufs Äußere eines Menschen. Was er an anderen bewundert, ist Verstand. Milton Ashe ist nicht die Art von Mann, der einen Kopf mit hübschen Haaren und schönen Augen heiratet.«
Ehe sie weitersprach, verstrichen ein paar Sekunden. Selbst dann zitterte ihre Stimme noch immer. »Dennoch hat er niemals in irgendeiner Weise gezeigt, daß …«
»Haben Sie ihm je die Gelegenheit gegeben?«
»Wie hätte ich das gekonnt? Ich dachte doch niemals, daß er …«
»Genau.«
In Gedanken versunken schwieg die Psychologin. Dann schaute sie plötzlich auf. »Vor einem halben Jahr empfing er hier in der Fabrik ein junges Mädchen. Ich glaube, sie war hübsch – blond und schlank. Natürlich hatte sie nicht viel Verstand. Wer war sie?«
Herbie antwortete, ohne zu zögern. »Ich kenne die betreffende Person. Sie ist seine Kusine, und ich kann Ihnen versichern, daß er sich in keiner Weise für dieses Mädchen interessiert.«
Susan Calvin stand mit fast mädchenhafter Lebhaftigkeit auf. Sie rannte zu Herbie und packte seine kalte schwere Hand mit ihren beiden Händen. »Ich danke dir, Herbie.« Ihre Stimme war eindringlich und fast flüsternd. »Sage niemand was von dieser Sache! Es soll unser Geheimnis sein … und nochmals – ich danke dir.« Damit und mit einem krampfhaften Druck auf Herbies gefühllose Finger verließ sie den Raum.
Langsam wandte sich Herbie wieder seinem Roman zu. Leider gab es keinen, der seine Gedanken hätte lesen können.
Milton Ashe räkelte sich, daß seine Gelenke knackten, während aus seinem Munde eine Art von Stöhnen kam. Dann starrte er Dr. phil. Peter Bogert an.
»Hör mal«, sagte er, »ich habe mich nun eine volle Woche mit dieser Geschichte beschäftigt, fast ohne die nötige Zeit zum Schlafen zu finden. Wie lange soll das eigentlich so weitergehen? Ich meine, du hättest gesagt, das positronische Bombardement in der Vakuumkammer D wäre die Lösung?«
Bogert gähnte. »So ist’s auch. Ich bin der Sache auf der Spur.«
»Was das aus dem Munde eines Mathematikers bedeutet, weiß ich. Wie nahe bist du dem Ende, mein Freund?«
»Das hängt davon ab.«
»Wovon?«
»Von Lanning. Der alte Bursche ist nicht meiner Meinung.«
Schläfrig murmelte Ashe: »Warum fragen wir nicht Herbie und beenden damit die ganze Geschichte?«
»Den Robot fragen?« Bogerts Augenbrauen hoben sich. »Ist das dein Ernst?«
»So wahr mir Gott helfe! Das Komische dabei ist, daß der Idiot Mathematik gar nicht mag. Am liebsten würde er überhaupt nur Kitschromane lesen. Wirklich! Du solltest sehen, mit welcher Art von Lesestoff Susie ihn versorgt. ›Schwüle Leidenschaft‹ und ›Liebe im Weltraum‹ und solches Zeug.«
Er machte plötzlich große Augen und runzelte die Stirn. »Sag mal, Bogie, ist dir in letzter Zeit an Susie irgendwas aufgefallen?«
Bogerts Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Sie malt sich die Lippen an, wenn’s das ist, was du meinst.«
»Mein Gott, das weiß ich selbst. Verwendet Rouge, Puder und Augenbrauenschwarz. Sieht bei Gott komisch aus. Aber das ist es nicht, was ich meine. Ich kann nicht genau sagen, was es wirklich ist. Vielleicht ist es die Art, wie sie redet – als wäre sie mit einem Male sehr glücklich über irgend etwas.« Er schien nachzudenken und zuckte dann mit den Schultern.
Der andere lachte. »Vielleicht ist sie verliebt.«
»Du spinnst, Bogie. Los, geh jetzt und sprich mit Herbie! Ich möchte gerne hierbleiben und ein wenig schlafen.«
»Schön. Nicht, daß ich es besonders schätze, wenn ein Robot mir in meine Arbeit hineinredet – aber ich glaube gar nicht, daß er dazu imstande ist.«
Ein leises Schnarchen war die einzige Antwort, die er bekam.
Herbie hörte aufmerksam zu, während Peter Bogert mit betonter Gleichgültigkeit redete.
»Das ist die ganze Geschichte. Man hat mir mitgeteilt, daß du diese Dinge verstehst, und ich frage dich eigentlich mehr aus Neugierde als aus irgendeinem anderen Grunde.«
Der Robot antwortete nicht, und Bogert sagte: »Nun, was sagst du dazu?«
»Ich kann keinerlei Fehler entdecken.« Herbie studierte intensiv Zahlen, die Bogert ihm gereicht hatte.
»Ich nehme an, auch du kannst nicht viel weitergehen, was?«
»Ich möchte den Versuch lieber nicht riskieren. Du bist ein besserer Mathematiker, als ich es bin, und – na ja, ich möchte mich nicht festlegen.«
Bogert lächelte nachsichtig. »Das habe ich mir eigentlich gleich gedacht. Die Geschichte ist für dich bestimmt zu hoch.
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