Alle Robotergeschichten
sich.
Dr. Calvin war ärgerlich – so ärgerlich, daß sie es kaum noch ertragen konnte. Ihr Ärger wurde noch besonders dadurch vergrößert, daß sie nicht wagen durfte, ihn vor den Robotern zu zeigen, die einer nach dem anderen hereinkamen und dann wieder gingen. Sie kontrollierte eine Liste. Der nächste war Nummer achtundzwanzig. Danach standen ihr noch fünfunddreißig weitere bevor.
Nummer achtundzwanzig trat bescheiden ein.
Sie zwang sich selbst zu einem gewissen Grade zur Ruhe.
»Und wer bist du?«
Der Robot antwortete mit leiser, unsicherer Stimme: »Ich habe bis jetzt noch keine Nummer erhalten, Madame. Ich bin ein NS-2-Robot, und ich war draußen der achtundzwanzigste in der Reihe. Ich habe hier ein Stück Papier, das ich Ihnen geben soll.«
»Du warst heute noch nicht hier drin?«
»Nein, Madame.«
»Ein Mann befand sich dort, der fast verletzt wurde, nicht wahr?«
»Jawohl, Madame.«
»Und du hast nichts getan, oder?«
»Nein, Madame.«
»Ich will jetzt, daß du mir genau erzählst, warum du nichts unternommen hast, um den Mann zu retten.«
»Ich will das gerne erklären, Madame. Ich möchte wirklich nicht, daß Sie oder daß andere von mir denken, daß ich irgend etwas tun könnte, das einem Herrn und Meister Schaden zufügt. O nein, das wäre eine schreckliche … eine unvorstellbare …«
»Bitte rege dich nicht auf, Junge! Ich mache dir absolut keine Vorwürfe. Ich will nur wissen, was du in jenem Augenblick gedacht hast.«
»Madame, ehe das alles geschah, sagten Sie uns, daß einer der Meister von jenem fallenden Gewicht gefährdet werden würde und daß wir, wenn wir ihn retten wollten, elektrisch geladene Kabel zu überschreiten hätten. Madame, das hätte mich nicht aufgehalten. Was bedeutet schon meine Zerstörung, verglichen mit der Sicherheit eines menschlichen Wesens? Aber es fiel mir ein, daß, wenn ich auf meinem Weg zu ihm zugrunde ginge, ich ohnehin nicht in der Lage sein würde, ihn zu retten. Das Gewicht würde ihn zerschmettern, und dann wäre ich selbst ja zwecklos gestorben, und eines Tages würde vielleicht ein anderer Meister verletzt werden, den ich, wäre ich am Leben geblieben, hätte retten können. Verstehen Sie mich, Madame?«
»Du willst sagen, daß du nur die Wahl hattest zwischen zwei Dingen. Entweder starb der Mensch allein oder ihr starbt beide zusammen. Stimmt das?«
»Jawohl, Madame. Es war unmöglich, den Meister zu retten. Er konnte als tot angesehen werden. In diesem Falle ist es unvorstellbar, daß ich mich für nichts selbst zerstöre, das heißt natürlich ohne Befehl.«
Die Robotpsychologin spielte mit ihrem Bleistift. Die gleiche Geschichte mit nur unwesentlichen Abweichungen in den Ausdrücken hatte sie bereits siebenundzwanzigmal gehört. Was nun kam, war die entscheidende Frage.
»Junge«, sagte sie, »deine Art zu denken hat eine gewisse Berechtigung. Dennoch sind dies nicht die Gedanken, die ich eigentlich von dir erwartete. Hast du dir das alles selbst ausgedacht?«
Der Robot zögerte »Nein.«
»Und wer war derjenige, dem dieser Gedanke kam?«
Der Robot dachte angestrengt nach. »Ich weiß nicht. Einer von uns eben.«
Sie seufzte. »Das war alles.«
Nummer neunundzwanzig war der nächste. Danach kamen vierunddreißig weitere.
Auch Generalmajor Kallner war ärgerlich. Fast eine ganze Woche lang hatten die beiden größten Experten auf diesem Gebiet die Situation mit nutzlosen Versuchen erschwert. Und nun machte die Frau zu allem Überfluß auch noch völlig unmögliche Vorschläge.
Susan war im Begriff, ihn zu drängen. »Warum nicht, Sir? Es ist ganz klar, daß die gegenwärtigen Umstände unglücklich genannt werden können. Der einzige Weg, auf dem wir vielleicht in Zukunft zu Resultaten gelangen werden, ist der, daß wir die Roboter voneinander trennen. Keinesfalls können wir sie länger beieinander lassen.«
»Meine liebe Frau Dr. Calvin«, sagte der General, »ich kann mir nicht denken, wie ich es fertigbringen soll, dreiundsechzig Roboter über die ganze Gegend verstreut unterzubringen.«
Dr. Calvin hob hilflos den Arm. »In diesem Falle kann ich nichts mehr tun. ›Nestor 10‹ wird entweder das imitieren, was die anderen Roboter tun oder sie mit logischen Argumenten dazu bringen, das nicht zu tun, was er selbst nicht tun kann. Beides ist schlecht für uns. Wir befinden uns in einem tatsächlichen Kampf mit diesem kleinen verlorenen Robot, und er ist im Begriff, uns zu besiegen.«
Entschlossen stand sie auf.
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