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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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konnten.
    Wohin wollen Sie?
    Egal.
    Im Wagen klebte er mit der Wange an der Seitenscheibe, sah ausschließlich nach draußen: Himmel, Landschaft.
    Sind Sie das erste Mal hier?
    Mhm.
    Wie sieht es dort aus, wo Sie herkommen?
    Ganz ähnlich. Es ist dieselbe Klimazone.
    Man unterhielt sich über Pflanzen und Tiere. Er, sagte ein schwarzer Mann mittleren Alters, sei hier geboren, dennoch habe er eine gewisse Zuneigung zur Vegetation im Land seiner Ahnen . In seinem Vorgarten hege er eine Bananenstaude. Später fragte er, wie nach ihm noch andere, ob Abel eine Übernachtung brauche. Er stellte ihn seiner Frau und seinen beiden Kindern vor, das Mädchen neun, der Junge fünf, und machte ihm auf einem hässlich gemusterten ausziehbaren Sofa im Hobbykeller, wo er selbst schlief, wenn er betrunken war, eigenhändig ein Bett. Ein Fluglotse bei der Armee.
    Dem Nächsten war einfach fad , ein Mensch in meinem Alter, abgekauter, kleiner Schnurrbart, er fuhr in der Gegend herum, nur um ihn auflesen zu können. Er sprach einen kaum verständlichen Dialekt, abgesehen davon, hatten sie sich nicht viel zu sagen. Er schob eine Kassette ins Deck, darauf ein Kabarettprogramm, von dem Abel zunächst kein Wort verstand. Später wurde es besser, und irgendwann kam der Punkt, als er sogar lachen musste über einen gar nicht so guten Witz. Schnurrbart lachte dankbar mit. Das nächste Mal war es eine Taxifahrerin, eine rundliche, blonde Frau, die ihn nach Schichtende mit hinaus aus der Stadt nahm, ich wohne lieber auf dem Dorf. Und Sie? Woher kommen Sie? Nein, ich meine, vorher . Sie haben ja überhaupt keinen Akzent. Wieso ich trotzdem gemerkt habe, dass es nicht lange her ist, dass Sie angekommen sind? Ach, doch schon so lange? Wollen Sie bei mir übernachten und mir alles über sich erzählen?
    Und so weiter. Er wanderte wie eine Stafette von Hand zu Hand, als wäre es irgendwo so abgesprochen gewesen, gut organisiert, es war immer einer da. Der Letzte schließlich, ein trauriger alter Mann, brachte ihn bis zur Küste. Das war jetzt ein anderes Meer. Er saß auf einer Bank an der zugigen Betonpromenade, hinter ihm klatschte eine Reihe Staatsflaggen im Wind, Drahtseile gegen metallene Fahnenstangen schlagend: pling, pling. Die losen Ecken der Plakate auf einer nahen Litfasssäule klapperten trocken. Sie verwiesen auf Veranstaltungen in dem Tagungsgebäude hinter den Flaggen. Ein Zentrum, wie er es kannte, er hätte dort nach einem Job fragen können – Sicherheitshalber sagst du, du kannst nur vier Sprachen, maximal sechs, damit man dich nicht für einen … hält –, und siehe, wieder eine Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. New, nieuw, nouvelle, nuovo - - - Aber er wollte hier keinen Job haben. Das erste Mal, seltsam genug, empfand er so etwas wie Sehnsucht nach der Stadt, in der er die letzten Jahre gelebt hatte. Er kaufte sich ein Bus-oder Bahnticket, fuhr auf dem kürzesten Weg zurück und traf seine spätere Frau wieder.
    In der zufälligen Begegnung sahen beide ein Zeichen – auch keine schlechtere Grundlage als andere. Ihre Freunde sind zwar die Pest, aber dafür ist der Junge da, und auch sie hat alles, was man braucht, ist knabenhaft und mütterlich, Arm in Arm kann man mit ihr vor offiziellen Organen stehen. Eine Weile lief auch alles gut, die erste Zeit funktionierte es/er fehlerlos. Abgesehen vom Sex, natürlich war ihm das aufgefallen, man müsste blind sein. Ehrlich gesagt, hatte er die Möglichkeit sogar in Betracht gezogen, wirklich voller Goodwill, anfangs mied er sogar die Klapsmühle – ein unnötiges Opfer. Alles in allem ist es nicht daran gescheitert. Irgendwann hatten sich einfach zu viele Merkwürdigkeiten angesammelt, da geht man besser auf Distanz. Aber zu ihrem Geburtstag würde er kommen, natürlich.

    Er hatte einen Test an dem Tag, einen unserer bislang spektakulärsten , eine Art Simultanschachturnier, nur dass Ihnen hier keine Spielpartner gegenübersitzen, sondern Gesprächspartner. Dies ist Neuland auch für uns, bislang war es nur möglich, statische Bilder zu produzieren, unser Ziel muss es aber sein, den Prozessen auf die Spur zu kommen. Als er eintrat, wurde es still. Der Papst hat den Raum betreten. Überall Menschen, kein Gramm Luft. Könnte man ein Fenster öffnen? Man öffnete ein Fenster. Straßengeräusche. Als führe eine Kolonne Busse über die Brücke der Tische in der Mitte des Zimmers. Wir werden das Fenster wieder schließen müssen. Schließe jemand das Fenster, bitte, danke. Vom

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