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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Sie wechseln sich ab im Sitzen und Auftragen. Ein Schälchen Kaviar, ein Zuckerdöschen. Die Nächste nimmt es wieder mit, bringt statt dessen ein Körbchen Obst. Frisch aus dem Refridscherator, mit Tau benetzt, sehr pittoresk.
    Dies ist die Nacht vollkommener Fülle, sagt Bora, die als Dienstälteste den Vorsitz führt. Du bist unser Ehrengast und kannst alles essen, was du willst.
    Danke, sage ich, aber ich habe gar keinen Hunger. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich Verdauungsorgane habe.
    Sei kein Arschloch, sagt Natalia. Setzt dich, das gehört sich so.
    Sie drückt mich mit kräftiger Hand auf den leeren Stuhl neben sich. Es stehen noch andere leere Stühle am Tisch, immer einer zwischen zwei Frauen.
    Du wirst in jedem dieser Stühle wenigstens einmal gesessen haben.
    Ach, sage ich. Ist das so im Paradies?
    Genau so ist es.
    Wenn das hier das Paradies ist, sage ich. Wo sind dann, bitte schön, die vier Flüsse Nosip, Nohig, Sirgit und Tarphue? Wo sind die Mauern, die Türme, der Garten, der Thron, das gläserne Meer? Statt dessen versucht man, mir mit einpaar Palmen in Kübeln die Augen auszustechen! Ich will nicht undankbar sein, ich bin nicht undankbar, aber könnte es nicht wenigstens im Paradies Räume unter freiem Himmel geben? Andere fliegen in ihren Träumen über unendliche Wiesen, ich geistere selbst jetzt noch durch die dunklen Winkel meines Zimmers. Könnte man nicht wenigstens die Decke öffnen? Mit einer raffinierten Hydraulik? Ganz im Gegensatz zum äußeren Anschein und dem Hörensagen wäre ich nämlich gegenüber ein wenig Schönheit der Schöpfung, sagen wir, in Form von Natur, nicht abgeneigt. Mir mangelt es an nichts, außer an einer grünen Aue. Manchmal bin ich in den Park gegangen. Aber das ist aus verschiedenen Gründen vorbei. Außerdem: Was ist schon ein Park? Die Abwesenheit einer wirklichen Landschaft. So wie ein Palmenhaus die Abwesenheit wirklicher Palmen ist. Das ist die Krux am Paradies. Die zahmen Tiere, von denen man so viel hört, lagern auf Tellern und Tabletten. Und das Obst, unverändert, wie es seit Stunden ist, ich glaube, es ist aus Wachs.
    Koste es, sagt Marica, dann weißt du’s.
    Will ich es denn wissen? Ich habe längst keinen Geschmackssinn mehr. Hart, weich, feucht, trocken: das ist alles. Außerdem, sage ich laut, weil ich mich bei diesem Thema in Sicherheit fühle, braucht mir keiner zu erklären, wie es im Paradies ist. Ich bin seit Jahren Stammkunde dort. Eros, irdisch oder himmlisch, kann niederschmetternd sein, und das Fleisch allein erst recht. Aber ich kenne einen Ort, er heißt: Klapsmühle, der ist es nicht. Die höflichsten und aufrichtigsten Menschen der Welt feiern dort den Dämon, der zwischen Gott und Mensch vermittelt. Sie sind schön und hässlich, weise und unwissend wie wir alle, sie geben sich nur etwas mehr Mühe. Ich bin die Ausnahme. Ich versuche immer, heruntergekommener zu erscheinen, als ich bin. Dafür sollte ich mich schämen, aber, ehrlich gesagt, tue ich es nicht. Ich entschuldige mich höflich für eventuelle Unannehmlichkeiten, aber alles in allem gibt es nichts zu verzeihen.
    Die Frauen schweigen, schauen mich traurig an, schließlich sagt die süße Nikolett mit den Kulleraugen: Dass er keinerlei Liebe in sich haben soll, glaube ich nicht. Woran es ihm mangelt, ist einfach die Demut.
    So ist es, sagen die Frauen.
    Genau so, sage ich.
    Dafür gebührt ihm allerdings eine saftige Strafe. (Das war Anna. Ihre Stimme ist tief und derb. Sie ist die Dickste von allen.)
    Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass jemand bereit wäre, sie an ihm auszuführen. (Beatrix. Eine Nicht-auf-den-Mund-Gefallene, kleine Hamsterbacken.)
    Leider ist sein Vater verschwunden. (Katharina, eine dünne, verhärmte, macht nicht viele Worte.)
    Der hat mir sowieso nichts zu sagen!
    Sie nicken in Einverständnis: Gott segne ihn, er war ein Bastard.
    Es wird dir also nichts anderes übrig bleiben, als selbst für dich zu sorgen. (Die erbarmungslos kluge Olga.)
    Überwinde dich, werde anständig. Bring dich ein wenig in Form und benimm dich für einpaar Stunden wie ein Gentleman. (Die strenge Tímea.)
    Das kannst du doch. (Die sanfte Elsbeth.)
    Ja, irgendwie hat er das, obwohl er sich’s nirgends hat abgucken können, diese mit Tollpatschigkeit gemischte Eleganz, die allgemein so beliebt ist. (Die verspielte Daphne.)
    Also, bitte, tu diene, Korrektur: deine Pflicht.
    Ja, was tue ich denn die ganze Zeit? Nur weil ich jetzt gerne in den Klub gehen

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