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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Tatsache, welche wir nicht nachprüfen können, anbelangt. Zugegeben, es gab eine Zeit, in der man annahm, der Teufel könnte nicht in Jungfrauen fahren, was zum wunden Punkt der ganzen Jeanne-d’Arc-Geschichte wurde, deswegen, und um sicher zu gehen, lautet das Urteil: Massenvergewaltigung.
    Rumoren, Stühlerücken, vereinzeltes Klatschen, Zungenschnalzen. Die Stimme eines Ordners über Lautsprecher: Bitte, in einer Reihe aufstellen. Die Knaben zuerst!
    Es ist mir etwas bange, aber es ist auch eine gewisse frohe Erwartung in mir. Was werden die Knaben mit mir anfangen? Werde ich irgend etwas davon spüren, oder ist mein Hintern wie alles andere an mir aus Kreide und Gips?
    Schnauze! sagt ein fetter Rothaariger. Den habe ich auch schon mal gesehen. Zuerst verlesen wir die Foltermethoden. Wir haben sie nach Ländern beziehungsweise Kulturkreisen geordnet, aber natürlich gibt es viele Überschneidungen. Die Chinesen schneiden die Nase ab, die Mongolen häuten mehr. In Spanien heißen die Übungen Badewanne, Beutel, Rad, Operationssaal. Außerdem kennen wir weltumspannend den Grill, das Telefon-B und den Stachelstock. Strom, Wasser, Plastikbeutel, Schlagstöcke, Exkremente und Motoröl spielen eine eminente Rolle, ebenso die Wirkung erzwungener Körperhaltungen und verschiedener Fesselungen. Mit dem Kopf nach unten zu hängen, führt im Glauben der meisten Völker zur Erleuchtung. In Einzelfällen kann auch das Abtrennen von Körperteilen praktikabel sein. Nichts Lebenswichtiges: einen Finger, ein Ohr, eine Zunge, du mittelelterlicher Dieb, du falscher Prediger, du Majestätsbeleidiger. Die Lippen mit Drähten zu vernähen ist eine andere überlieferte Möglichkeit. Würde das nicht einen beträchtlichen Teil deiner Probleme lösen? Sei ehrlich. Bei ausbleibender Nahrungsaufnahme minimiert sich auch die Gefahr, sich mit Verdauungsprodukten zu besudeln. Obwohl du dir um die Kleidung keine Sorgen machen musst, denn die meiste Zeit wirst du nackt sein. Schau dir diesen verschrumpelten kleinen Schwanz an!
    Schon gut, sage ich. Ich wähle die Knaben.
    Schnauze! Wir sind noch nicht fertig! Während wir lesen, werden neue Methoden erfunden, wir hecheln unserer Zeit praktisch immer hinterher. Man kann nicht hinter den Punkt zurück, den man einmal passiert hat, das müsstest du doch wissen, also schlag dir die süßen Jungen aus dem Kopf. Aber es ist immer möglich, noch einen Schritt weiter zu gehen. Wann, wenn nicht jetzt. Du warst sowieso nie als Opfer vorgesehen. Du wirst der sein, der all das ausführt. Zehn Prozent der Menschheit, das ist wissenschaftlich erwiesen, empfindet Freude dabei, andere zu quälen. Schau, hier sind alle, Bekannte und Unbekannte, sie gehören dir, nach Lust und Laune.
    Jandas Gesicht ist wie ein Nadelkissen, er hockt zusammengekrümmt in der Ecke, sein Zahnfleisch blutet.
    Du kannst ihn ficken, wenn du willst. Nur komm nicht in die Nähe seines Mundes. Seine Zähne sind wie die Zacken einer verrosteten Säge, und seine Knochen stehen hervor, aber sein Darm ist weich, der trocknet als Letztes aus, er kann noch bis zu zehn Tage am Leben bleiben.
    Wisst ihr was, sage ich (meine Stimme, was ich nicht will, zittert), fickt euch doch selbst!
    Du willst und willst also nicht Farbe bekennen, dich deiner Ohnmacht entledigen und die großartige Macht dessen spüren, der über sich hinausgewachsen ist?
    Nein!
    Wozu wärst du sonst zu gebrauchen, mickriges Aas? Deserteur! Jungfrau! Verräter!
    Jawohl, sage ich. Jawohl! Und noch einmal, diesmal brüllend, ich muss Jahrhunderte aus mir hinausschreien: JawOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO – – –
    Was bist du nur für ein lächerlicher und dummer Popanz! Hier gehört Schreien zum Konzept!
    Ist mir egal, ich schreie weiter, OOOOOOO-OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO, kommt doch und bringt mich zum Schweigen, stopft mir das Maul, tötet mich!

    Kaum habe ich das Letzte gedacht, sind sie weg, und ich liege auf der Erde. Das heißt: ich glaube, ich liege, und es ist die Erde. Keiner – weil ich nicht – sagt mehr etwas. Wieder bin ich allein im leeren Sandfeld von Agirmoru Put. Die Ruhe tut gut. Mehr denn je verlangt es mich nach Einsamkeit. Ich verhülle mein Gesicht. Hier vergeht sehr viel Zeit.

    Später öffne ich die Augen oder hatte sie die ganze Zeit geöffnet. Wie es scheint, lebe ich immer noch. Welches Recht habe ich mir dadurch erworben? Ich habe mir das Recht erworben, allein in grauen Ruinen zu verharren. Sie sehen

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