Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
Vom Netzwerk:
Hurensohn, wenn man ihn einmal braucht!, aber komm hierher nicht zurück. (Sie brach in Tränen aus:) Mein Gott, dein Studium! (Sie hörte auf zu weinen. Weiter, hektisch:) Du hast eine Einberufung bekommen. Sie nehmen die jungen Männer aus den Bussen und Straßenbahnen mit. Hör zu, sagte Mira, hast du was zu schreiben? Schreib das auf.
    Sie gab ihm einen Namen. Adresse, Telefonnummer habe sie leider nicht. Er wohne in B. Er solle es in B. versuchen.
    Ein fremder Name auf der Rückseite von Boras Zettel.
    Hast du es aufgeschrieben?
    Ja, sagte Abel.
    Schweigen.
    Alles in Ordnung?
    Ja, sagte Abel.
    Er horchte in die Leitung hinein, aus der er ein Dutzend anderer Stimmen hörte. Außerdem hörte er die Stimmen auf dem Krankenhausflur und den Zimmern, den Fernseher im TV-Raum, er war auf einen englischsprachigen Sender eingestellt.
    Ich glaube, sie hat schon aufgelegt, sagte Bora sanft, nahm ihm den Hörer aus der Hand, hängte ein. Sie legte ihren Arm um seine Schulter und führte ihn zurück ins Zimmer.
    Was in diesen drei Tagen in Abel Nemas Gehirn vor sich ging, lässt sich nicht genau erfassen. Er selbst hat keine Erinnerung daran, lediglich eine Vorstellung davon. Etwas in der Art, als hätte ein Jemand die einzelnen Teile eines Schiebespiels so lange hin und her geschoben, bis sich ein völlig neues Bild ergab. So organisierte etwas, so organisierte sich das Labyrinth in Abel Nemas bis dahin in allen Schulfächern gleichermaßen begabtem und desinteressiertem Verstand so lange um, bis alles, was bis dahin eine Rolle gespielt hatte, das Gewusel von Erinnerung und Projektion, Vergangenheit und Zukunft, das die Gänge verstopfte und in den Zimmern lärmte, irgendwo verstaut war, in geheimen Wandschränken, und er, nun leer, bereit zur Aufnahme einer einzigen Art von Wissen: von Sprache. Dies ist das Wunder, das Abel Nema widerfahren ist.
    Eine Marmortafel werde ich stiften und von jetzt an fromm sein, sagte Bora und packte ihm ein Lunchpaket.

II. DER BESUCHER
Hysterie, Lamento

Speisung I. Konstantin
    Sie kamen gemeinsam aus dem Gerichtsgebäude, rücksichtsvoll, unauffällig passten sich die Frauen Abels Tempo an. (Nein, ich bin nicht böse, ich will es nur hinter mir haben.) Im Flur hörten sie noch die letzte Sequenz des mittäglichen Glockengeläuts, als sie die Tür zur Straße öffneten, brach es ab. Sie standen auf den Treppen, er ein wenig schwindelnd in der plötzlichen großen Helligkeit, es war schon eine Weile her, dass er das letzte Mal gegessen hatte, plus der Blutverlust, aber dann trat all das in den Hintergrund, denn, eine unverdiente Freude, der Junge war da. Er zog ihn an sich und küsste ihn. Anschließend, weil er nah war, ging, hinkte er in den Park, Blut ist im Schuh, aber soweit ging es noch.
    So ein Park ist gut, sich auf eine Bank setzen, sich sammeln, für einen Moment nur. Die Penner am Südende, die den ganzen Sommer hier sind: Wir sammeln uns nur für einen Moment. Im Geruch des gemarterten Grases, der unter der Staubtrockenheit leidenden Pflanzen, des unbetriebenen Springbrunnens, ihrer selbst, ihrer Hunde, ihres Essens, das sie sich jeden Mittag in der Suppenküche der Kirche holen. Abgesehen davon, machen sie keine Wege. Sie sitzen den ganzen Tag und die Nacht in einem Halbkreis von steinernen Sitznischen, weitgehend symmetrisch, sechs auf jeder Seite. In der Mitte thront ein Dicker, ein Knie nach Südwest/West, eins nach Südost/ Ost, als wäre er das Oberhaupt dieses zerlumpten Olymps, zu seinen Füßen eine gepflasterte Sonne, in ihrem Mittelpunkt ein Trinkbrunnen. Er ist kaputt. Das Wasser plätschert heraus. Was die Hunde nicht wegschlappen, läuft ihren Herrchen zwischen die Füße. Links hinter den Büschen eine öffentliche Toilette, rechts zwei Drahtkäfige für Fußballspieler und eine Bank, auf der nie einer sitzt, nicht einmal jetzt, zur Mittagspausenzeit, wenn der Park voll ist mit Büroangestellten. Die thailändische Wäscherei mit der kaputten, ständig jodelnden Türklingel ist genau hinter dieser Bank, ein schräges Jaulen, das keiner lange erträgt. Abel schien es nichts auszumachen, kaum dass er sich hingesetzt hatte, war er auch schon eingeschlafen.
    Schau her, sagte Konstantin Tóti, was sagst du dazu.

    Der Tag hatte mies angefangen für Konstantin T., angefangen mit dem Aufwachen: mies . Es steckte im Kopf und verstopfte alles. Mit Hilfe von Wasser, kalt, in die Augen gerieben, und lauwarm, getrunken, wurde es langsam besser. Soviel zum Frühstück. Später

Weitere Kostenlose Bücher