Alle Tage: Roman (German Edition)
Hosentasche die Beule eines Schlüsselbunds, in der anderen zweifellos ein zerknülltes Taschentuch. Die Brezel. Knitterfalten. Trag nicht immer alles in den Hosentaschen.
Die Frau, mit der (schweren) Kelle in der (arthritischen) Hand, bückte sich, zerrte einen Plastikteller unter dem Tisch hervor. Ein zweites geriffeltes, knisterndes Einmalding steckte darin fest, sie versuchte, sie mit vier Fingern zu halten und mit dem Fingernagel des Daumens voneinander zu lösen. Dabei in der anderen Hand immer noch die Kelle.
Lassen Sie mich …
Egal. Sie klatschte die Nudeln in beide Teller. Hier.
Danke.
Hier, ein Plastiklöffel und hier, in einem Plastikbecher, lauwarmer Tee.
Gott vergelt’s.
Sie sah ihn an. Sie glaubt mir dieses Gottzeug nicht. Sie machte sich wieder an den Töpfen zu schaffen. Konstantin stand davor und aß. Zwischendurch hob er den Becher vom Tisch und trank Tee. Guten, süßen, grünen Tee. Eine zweite Frau und ein Franziskanermönch halfen der ersten Frau beim Aufräumen. Der Mönch hatte einen langen weißen Bart, er verdeckte fast ganz sein Gesicht, aber der Körper und die Augen waren die eines jungen Mannes. Die Frauen sprachen, der Mönch nicht. Nickte nur oder schüttelte den Kopf, je nachdem, was passte.
Hat er ein Schweigegelübde abgelegt?
Pardon?
Der Mönch.
Nein.
Ich wusste nicht, dass hier ein Kloster ist.
Es ist kein Kloster. Sind Sie fertig? Hat’s geschmeckt? Geben Sie mir den Teller.
Konstantin wischte sich den Mund.
Gelobt sei der Herr.
Nicht einmal darauf sagt er was. Unterhalb des Mundes ist der Bart zerklüftet. Am Grund der Klüfte rotes Narbengewebe. Wer hat ihm das Gesicht zerschnitten? Konstantin sah ihm in die Augen, um zu sehen, ob er wohl gut aussehend war. Davor. Dann vergaß er das.
Ich, also ich, trage mich mit dem Gedanken, entschuldigen Sie, wenn ich Sie mit meinem von Konjunktiven und Lügen durchwobenen Gestammel belästige, aber ich, Konstantin Tóti, verspüre das dringende Bedürfnis, mich für eine Weile in ein Kloster zurückzuziehen, es geht um eine wissenschaftliche Arbeit sowie um eine innere Einkehr, welche notwendig geworden ist, vielleicht würde ich sogar soweit gehen, selbst Mönch zu werden, ja, ich überlege ernsthaft, Mönch zu werden, diese Idee hatte ich schon einmal als Kind, mit elf oder zwölf, Fulbert hat Abelard kastrieren lassen, kurz: ich brauche etwas Ruhe und Sammlung und Hinwendung zu Gott. Akut geht es darum, dass K.T. vor der Wahl steht, in die Illegalität zu gehen oder in die Illegalität zu gehen, indem er sich falsche Papiere besorgt. Er hat große Angst davor, sich falsche Papiere zu besorgen, er hat einen Fehler begangen und seinen richtigen Namen gesagt, aber den musste er doch sagen, oder nicht. Natürlich erwähnt er hier nichts davon, nicht dass Sie denken, ich bin ein Krimineller, noch nicht. Ich könnte mir vorstellen, mich Pater Pierre zu nennen, beziehungsweise man hört von gewissen Stipendien für junge Wissenschaftler und Christen - - -
Entschuldigen Sie, sagte die strenge Frau. Verzeihen Sie, Pater. Da sind Sie hier an der falschen Adresse. Wieso wenden Sie sich nicht…
Langsam werde ich (Konstantin) aber ungeduldig: Entschuldigen Sie bitte. Ich spreche mit dem Herrn Pater.
Sah erwartungsvoll den Pater an. Die Frau ebenso. Es entstand eine kleine Pause.
Echuhia, sagte der Pater nach einer Weile.
Zeichnete ein Kreuz über Konstantins verblüfftes Gesicht und ging.
Sind Sie jetzt zufrieden?
Was ist mit ihm?
Nichts ist mit ihm. Sie haben’s doch gehört oder nicht.
Was hat er gesagt?
Es tut ihm Leid, nehme ich an. Und mir auch. Und jetzt gehen Sie bitte.
Was ist mit ihm? Wieso hat er diesen weißen Bart?
Müssen Sie alles wissen?
Wieso ist es ein Geheimnis?
Es ist kein Geheimnis. Es geht Sie nur nichts an. Wir schließen jetzt.
Es ist doch keine Schande …
Bitte.
Was hab’ ich falsch gemacht?
Sie sagte nichts mehr, wedelte nur noch mit den Händen: Raus, raus. Er ging rückwärts vor ihr her.
Wieso müssen Sie so unfreundlich sein? Ha? Jetzt reden Sie wohl auch nicht mehr mit mir? Was - - -
Draußen vor der Tür. Spätsommerlich blinkende Bäume, Schönheit. Konstantin konstatierte, dass er satt war. Übersatt. Er hätte sich das Geld für die Brezel sparen können. Der kleine Rest fettete langsam seine Hosentasche ein.
Das Nächste war, dass er wieder am Trinkbrunnen stand, hundert Meter weiter und du hast schon wieder Durst, wieder Spritzer auf den Schuhen, und dann: Was sagt man
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