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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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ist das da?
    Der Typ schaut hin.
    Whisky.
    Gibst du mir ein Glas?
    Der Typ steht auf, nimmt die fast leere Flasche aus dem Regal, gießt ein, zwei Fingerbreit pur. Steht jetzt wieder so nah wie vorhin, wartet. Danko presst die Schenkel aneinander, trinkt. Rauchig, scharf, nicht schlecht. Abel nimmt ihm das Glas wieder ab, geht zur Tür, löscht das Licht, kommt zurück.
    Gute Nacht.
    Sitzt wieder an seinem Laptop, manchmal tippt er was, aber meist schaut er nur auf den Bildschirm. Danko rutscht tiefer in den Sessel, die Decke unter ihm. Hat die Schuhe noch an. In den Sohlen klebt Teer, Sand, Disteln. Später legt er sich richtig hin, weiß nicht, was er mit den Händen machen soll, faltet sie auf der Brust, schaut zur Decke. Ein Wasserfleck.
    Eine Weile ist’s still. Nur das Summen des Laptops. Der Junge im Bettsessel bewegt sich ein wenig. Es raschelt. Irgendwann fängt er zu reden an.

    Einmal, sagt Danko, hat er mich fünf Tage lang im Keller eingesperrt. Ich kam nach Hause, Hintereingang, er stand im Dunkeln in der Küche, sagte kein Wort, packte mich nur und schleuderte mich gegen die Wand, dass es schepperte wie im Inneren eines Würfelbechers. Es war so laut, dass Danko einen Moment lang dachte, taub geworden zu sein. Dann wurde er wieder bei der Tür hinausgestoßen, durch die er hereingekommen war, über den Hof, zur Kellertür, die Kellertreppe hinunter, in eine Ecke, nachgetreten, Tür zu. Er blieb auf dem feuchten Boden liegen. Es war kalt, aber Schmerz hält warm. Im Kopf klang noch das Scheppern nach, aber das hörte später auf, nur ein leises Pfeifen blieb, übrigens bis heute.
    Pause. Der Junge horcht. Ganz fern, aber doch, es ist da.
    Später änderte er vorsichtig die Position, prüfte, ob die schmerzende Rippe in die Lunge stach, aber sie stach nicht in die Lunge. Er vertrieb sich die Zeit, indem er an alles Mögliche dachte. Das ist gar nicht so einfach. Er suchte sein Gedächtnis nach Erinnerungen ab, es war nicht viel da. Der Tag, an dem er das erste Mal rauchte. Es gibt ein Foto davon. Das Dorf nicht direkt, nur im Dorfteich gespiegelt, Bäume, einpaar schiefe Holzgiebel, rechts vorne angelt ein Halbnackter, und am linken Bildrand, in der Unschärfe, stolz: er, mit der Kippe im Mund. Die restliche Zeit dachte er an Fahrzeuge. Als ich klein war, dachte ich, ein Eselskarren wäre das Beste, was man besitzen könnte. Später ein Mofa, ein Motorrad, einen Mercedes, einen Sportwagen, wiederkommen, das Fenster herunterkurbeln, winken. Wem? Dem, der da ist. (Da ist niemand. Niemand ist da.) Heute würde er an Flugzeuge denken. Eventuell Schiffe. Sich zwischen den Containern verstecken. In einem Rucksack Überlebensriegel und Wasser. Bei minus 65 Grad einen Brief an die Großen der Welt schreiben. Oder nicht schreiben. Scheiß auf die Großen der Welt.
    Am zweiten Tag ging die Tür auf, der Vater als Silhouette stellte wortlos einen Teller auf die oberste Treppenstufe. Einen tiefen Teller, darin die Reste von den Tellern der anderen, mit Suppe begossen für die Flüssigkeit. Das ist seine Art . Nichts ist schlimm am Meer. Das ist es nicht. Er wird mich töten, weil er es kann.
    Später am Tag kroch er vorsichtig die Stufen hinauf. Schlürfte etwas von der Flüssigkeit ab, nicht alles, damit es nicht so aussah, als hätte er etwas gegessen. Die Brühe war salzig, die erstarrten Fettaugen blieben an den Zähnen hängen. Sie mit der Zunge breit schmieren, jetzt ist alles fettig, der ganze Mund ist fettig, noch etwas Flüssigkeit drauftrinken, jetzt ist sie doch fast alle. Treppabwärts ist es schwerer.
    Der dritte Tag gehörte dem Geruch seiner Fäkalien und der Verzweiflung, am vierten riss er sich zusammen und machte Pläne. Einen Draht spannen vor der Tür, der Sturz aufs Kinn zertrümmert den Kiefer, aber das ist mir nicht genug, einen Ziegelstein nehmen, auch wenn es weh tut mit der angebrochenen Rippe, und ihm sämtliche Zähne, die Scheißnase, die Scheißwangenknochen, die Augenhöhlen, die Stirn, alles, alles, dein verdammtes Gehirn aus deinem verdammten Schädel - - -!!!

    Anfangs sprach der Junge schlecht, später scherte er sich nicht mehr darum, er nahm, was ihm gerade auf die Zunge kam, und dadurch wurde es tatsächlich besser. Wie seltsam das ist. Eigentlich möchte ich nicht reden. Ich möchte nicht erzählen, ich möchte töten und dann darüber schweigen, das möchte ich! Abel an seinem Schreibtisch rührte sich nicht. Hinter seinem Rücken greinte, röhrte, spritzte es, bis nur noch

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