Alle Tage: Roman (German Edition)
Klappern von Töpfen. Die Küche der Nervenheilanstalt. An die Mauer des hauseigenen Gartens hat jemand mit Kreide IRR-GARTEN geschrieben, auf beiden Seiten des Tors. IRR-Tor-GARTEN. Das Tor steht einen Spalt offen. An der Portierkabine eine Tafel: WILLKOMMEN. Das Gesicht von Leuten, die in Bushaltestellen in der Nähe von Gefängnissen und Irrenanstalten stehen. Der Junge läuft Slalom zwischen ihnen. Das ist schon das Südende des Parks, zur Bolz wäre es nicht mehr weit, vielleicht sind die anderen da, aber nein, er ändert die Richtung und läuft außen herum, an den Kiosken vorbei. Überall Menschen. Ekelhafter Sonntag, ekelhafte Sonntagsmenschen. Alte und Junge, Neger, Penner und Schlitzaugen. Frauen, ihre Hüften in den Röcken schwingen wie das Hinterteil eines verlängerten Busses, ihre Männer, mit den Händen in den Taschen plattfüßig zwei Schritte hinter ihnen hergehend, ihre Kinder in Kniestrümpfen, vorauslaufend oder artig an der Hand. Könnte jeden Einzelnen von denen ausrotten. Er läuft durch sie hindurch, schubst die Alten, die Frauen, die kleineren Kinder. Die Männer und die Größeren nicht, sie könnten ihn verprügeln. Er denkt daran und wieder: Wut. Jetzt gerade hasst er jedes lebendige Wesen auf Erden. Diese Stadt. Kosma und die anderen Wichser. Alle Menschen an allen Orten. Warum ausgerechnet die mickrige Höhle dieses Typen, aus der er davongejagt worden ist wie ein Hund, jawohl, wie ein Hund, der einzige Ort ist, an dem er gerne wäre: ein Rätsel. Dort und in dem Dorf mit den Pappeln.
Schaut sich um. Der Typ ist immer noch hinter ihm her. Jemanden um Hilfe fragen. Den Bullen da. Dieser Mann verfolgt mich.
Niemals einen Bullen.
Tritt im Umdrehen auf einen fallen gelassenen, halb aufgegessenen kandierten Apfel, knickt um, Zuckerguss am Schuh, rudert. Jemand, ein Mann, stößt ihn von sich: Hast du keine eigenen Füße zum Draufrumstehen? Guckma, wie böse der Kleine schauen kann! Na?, was ist?
Durch den Zwischenfall hat Abel ihn fast eingeholt. Sie sehen sich deutlich, ein Gesicht das andere. Stehen mitten im Weg, um sie herum ein Sonntag im Park, der Junge hat einen Laptop unterm Arm. Rennt wieder los.
He! ruft der Polizist. Das war eine rote Ampel! Bleiben Sie stehen!
Danko bleibt nicht stehen, er rennt wie der Teufel, arbeitet mit dem freien Arm, sein stechender Ellbogen. Und Abel? Er macht, was er noch nie gemacht hat: Täuscht rechts an und läuft links am Bullen vorbei. Was hat mich geritten, wann bin ich das letzte Mal so gerannt, noch nie. Danko schaut zurück, schüttelt den Kopf, rennt noch schneller. Passanten, Hindernisse. Er wird ihn bald abgehängt haben, keine Frage, der Abstand wird mit jedem Schritt größer, aber Abel kann nicht stehen bleiben. Es ist längst nicht mehr der Laptop, obwohl es auch der Laptop ist, aber vor allem ist es dieses sinnlose, kindische Laufen. Er fixiert sich längst nicht mehr auf den Rücken des Jungen, er schaut jetzt überallhin, die Welt im Laufen sehen, den Himmel, gerade hätte er sogar fast laut zu lachen angefangen, als ihm etwas zwischen die Beine gerät, eine Strippe oder was, eine Hand rauscht im Fallen an ihm vorbei, er kann sie nicht mehr greifen, er stürzt durch einen Knäuel niedriger Leiber hindurch auf den harten, schmutzigen Asphalt.
In einem Hunderudel verfangen. Liegt da, über ihm das Gewühl der Tiere: Läufe, Bäuche, Hoden, Winseln. Ihr Geruch. Unter Hunden liegen. Das Vibrieren des Asphalts zwischen den Zähnen. Hat sich den Kopf gestoßen. Schließen wir die Augen, nur für einen Moment.
Alles in Ordnung?
Die Stimme der Hundesitterin, ihr besorgtes Gesicht, das sich durch die Hundekörper schiebt. Hinter ihr öffnet sich ein Stückchen Himmel, ein kleines, lautes Flugzeug fliegt niedrig darin vorbei. Sie hält ihm eine Hand hin, hilft ihm, sich aufzusetzen. Die Hunde beschnüffeln ihn, die Hundesitterin zerrt an den Leinen: Lasst das! Kommt her!
Passanten sind stehen geblieben. Ein Polizist auch. Streng:
Alles in Ordnung?
Ja, sagt die Hundesitterin. Kommt her!
Zum Glück ist es ein anderer Polizist.
Warum sind Sie so gerannt? Hat Ihnen der Bursche was geklaut?
Jemand hat gesehen, dass er etwas bei sich hatte.
Er hat ihm was geklaut!
Können Sie stehen? Blutet’s?
Ja. Nein. Strampelt sich aus den Leinen frei.
Weil es nicht blutet, gehen die meisten Passanten weiter. Im Moment tut die Lunge mehr weh. Säuberung der Kleidung. Unter strengen Blicken. Na, will vielleicht jemand meine Papiere
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