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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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anhalten?
    Kontra zweifelt, ob er richtig gehört hat, schaut in den Rückspiegel, fährt weiter. Andre sieht, dass das Kind neben ihm schwitzt und zittert.
    Könntest du bitte …
    Janda auf dem Beifahrersitz: Fahr weiter!
    Andre würde auch was sagen, aber wenn er den Mund aufmacht, sickert Blut durch sein T-Shirt. Das Shirt ist grau, der wachsende Blutfleck auf seiner linken Schulter rehbraun.
    Später: keine Stadt mehr, nur Felder, kein Mond, vielleicht Wolken, man sieht nichts, außer einem Stück beleuchteten Asphalts vor ihnen. Jetzt kannst du anhalten.
    Kontra fährt ganz von der Straße ab, biegt in einen Feldweg ein, hält an, macht die Lichter aus. Nun endgültig: dunkel. Sitzen da. Vier atmen.
    Scheiße, sagt Kontra.
    Andre: Was … Was habt ihr …
    Ein Nesteln auf der anderen Seite des Autos, wo das Kind sitzt, dann geht die Tür auf. Ein Knirschen: Er hat den Fuß hinausgesetzt. Ein Schwall seines parfümierten Schweißes kommt zu Andre. Dann geht die Kofferraumklappe auf, er nimmt etwas heraus.
    Andre: Was machst du?
    Die Klappe geht wieder zu.
    Andre: Mach mal Licht.
    Kontra schaltet die Innenbeleuchtung an. Ein beleuchtetes Autoinneres in der sonst fast vollkommenen Schwärze. Wie kann es nur so dunkel sein? Man hört die Bewegung der Pflanzenblätter auf dem Feld. Kohl. Abel ist nicht zu sehen.
    Andre steigt aus dem Wagen, ruft nach ihm. Abel?!
    Keine Antwort.
    Janda zu Andre: Steig ein!
    Andre: Was habt ihr gemacht?
    Jetzt steig schon ein!
    Was macht er da?
    Er ist ausgestiegen, sagt Janda, jetzt ganz die Ruhe.
    Wenn du uns verrätst, kleine Schwuchtel, bring ich dich um, dachte er wenige Minuten zuvor. Und dann war ihm, als hätte er gehört , wie das Kind zurück dachte: Keine Panik. Janda sah in den Rückspiegel, sah ihn aber nicht, er hatte sich gerade nach vorne gebeugt.
    Lasst uns fahren, sagt Janda jetzt.
    Kontra schaut nur.
    Janda macht die Innenbeleuchtung aus.
    Jetzt steigt auch Kontra aus, geht zu Andre. Ihm helfen, ins Feld zu schauen. Nichts zu sehen. Andre, aus der Schulter blutend, stolpert zwischen den Kohlköpfen herum.
    Abel?
    Es lässt sich schlecht balancieren, wenn man mit einer Hand eine blutende Wunde an der Schulter halten muss, Andre strauchelt, der Knöchel knackt, Au!, er fällt aufs Knie, in einen Kohlkopf hinein. Dann ist zum Glück Kontra da, zieht ihn hoch, stützt ihn. Er blutet ihm auf den Arm. Janda im Auto ist auf Kontras Platz gerutscht, macht den Motor an, schaltet das Licht ein. Man sieht: Andre, Kontra, etwas Kohl. Abel nicht.
    Er ist weg.
    Scheiße, sagt Andre. Er weint fast. Was hast du getan?
    Er kann sich kaum auf den Beinen halten. Nicht der Knöchel – plötzlich ist ihm schlecht.
    Komm, sagt Kontra. Wir suchen den Sanikasten.
    Der Kasten ist so gut wie leer, Andre weiß es, einpaar Pflaster, trotzdem kommt er mit. Kontra bugsiert ihn auf den Rücksitz. He! Kontra hat kaum Zeit, ebenfalls einzusteigen, Janda fährt schon los. Andre greint. Du bist wahnsinnig. Vollkommen. Wahnsinnig.

    Später, als es etwas heller wurde, hielten sie an, verbanden endlich Andres Wunde. Anschließend wurde es langsam Zeit für eine Zigarette. Kontra suchte sein Sakko im Kofferraumwust und:
    Oh, Fotzedeiner …
    Janda: Was ist?
    Kontra lieh sich eine Zigarette, bevor er antwortete: Übrigens hat der Junge meine Jacke mitgenommen. Mein Tabak ist drin. Und, ach ja, meine Papiere.
    Er schaute sich Abels zurückgelassenen Pass an. Oh, sagte er, ich bin an einem Schalttag geboren.
    Gratuliere, sagte Janda.
    Ich hasse den Mann, der mich niedergestochen hat, nicht, dachte Andre. Dich hasse ich. Ich will nach Hause, winselte er auf dem Rücksitz.
    Schon gut, sagte Kontra. Ich fahr’ ja schon.

    Was Abel anbelangt: Das Sakko passte wie angegossen, er bemerkte die Verwechslung auch erst nach Sonnenaufgang, als er ein heißes Getränk an einer einsamen Tankstelle bezahlen wollte. Er verlangte den Toilettenschlüssel, hielt vor dem Spiegel den offenen Pass neben sein Gesicht. Der Unterschied zwischen dem 4x4-Foto und dem lebensgroßen Gesicht war erträglich. Wir könnten Cousins sein. Dann wäre mein bürgerlicher Name jetzt also Attila V. Ich wusste gar nicht, dass er ein Landsmann meines Vaters … Ist auch egal.
    Kontra war der Einzige, der ein gutes Visum hatte, und es war noch Jahre gültig. Jetzt kann ich überallhin.

VI. DAS UNMÖGLICHE
Ehe

Straßenszene. Mercedes
    Manchmal verdichten sich, wie Eiter, die Dinge. Die immer etwas merkwürdigen, sogenannten alltäglichen und

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