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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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wie er war, und ausgepflanzt in mühsamem Stil. Er blieb trotzdem dabei und begriff, daß der Verfasser – dessen Name Isaac Toolust ihm nichts sagte – eine großartige und alarmierende Theorie formuliert hatte, die viele Menschliche einer bisher nie gekannten kühl objektiven Untersuchung unterzog.
    Er hob den Kopf. Sie hatten angehalten.
    Auf einer Seite der Straße die gewellten, heckenlosen Meilen von Kent mit riesigen Gerstenfeldern, unter der Sonne reifend; in der kupfernen Ferne glänzte eine Maschine, die sie mit metallener Mütterlichkeit pflegte. Auf der anderen Seite, das kultivierte Land unterbrechend, die Gafia-Farm ein Drunter-und-Drüber von niedrigen Gebäuden, Bäumen und Gerümpel, brutzelnd in der Sonne, eingehüllt in Schweinegestank.
    Hippo löste sich aus der Armklemme, die ihn geradehielt, wenn der Wagen fuhr, stieg hinaus und hielt Birdlip die Tür offen.
    Mann und Roman stapften in den Hof.
    Ein Mann mit sanften Augen stapelte zersägte Stämme in einem Schuppen. Er kam heraus, als Birdlip sich näherte, und nickte ihm wortlos zu. Birdlip hatte ihn bei früheren Besuchen auf dem Hof seines Bruders noch nie gesehen.
    »Ist Rainy in der Nähe, bitte?« fragte Birdlip.
    »Hinten.« Der Mann war wieder bei seinen Stämmen, bevor Birdlip sich entfernte.
    Sie fanden Rainbow Birdlip hinter dem Bauernhaus. Jans jüngerer Bruder stand unter einem Baum und putzte mit eigenen Händen Pferdegeschirre; Birdlip überkam einen Augenblick das Gefühl, in der Gegenwart der neuen Geschichte zu sein; die Empfindung hätte nicht stärker sein können, wenn Rainy dabei ertappt worden wäre, daß er sich mit Waid färbte.
    »Rainy!« sagte Birdlip.
    Sein Bruder sah auf, grüßte ruhig und polierte weiter. Wie gewohnt, war er meterdick in Zufriedenheit eingehüllt. Die Konversation erstickte auf Birdlips Lippen, aber er zwang sich zum Sprechen.
    »Ich sehe, daß du vorn einen neuen Gehilfen hast, Rainy.«
    Rainy zeigte entspanntes Interesse. Er schlenderte heran, das Geschirr über der Schulter.
    »Richtig, Jan. Er kam herein und bat um Arbeit. Ich sagte, er könne sie haben, wenn er sich nicht zu sehr anstrenge. Ist erst vor einer guten Stunde gekommen.«
    »Hat aber schnell angefangen.«
    »Er konnte es gar nicht erwarten. Wahrscheinlich hat er noch nie Holz in der Hand gehabt, das nicht nachgemacht war. Dabei ist er schon fünfunddreißig. Hat mich angefleht, daß er Baumstämme schneiden darf. Netter Kerl. Pursewarden heißt er.«
    »Pursewarden? Pursewarden? Wo hab’ ich den Namen schon mal gehört?«
    »Das ist der Zuname des menschlichen Ingenieurs, mit dem Sie die Verabredung hatten, die Sie nicht einhielten«, sagte Hippo.
    »Danke, Hippo. Dein wunderbares Gedächtnis! Natürlich. Das kann aber nicht derselbe sein.«
    »Doch, Sir. Ich habe ihn erkannt.«
    Rainy ging an ihnen vorbei zur offenen Haustür.
    »Komischerweise war gestern noch einer da, der mich angefleht hat, daß ich ihn einstelle«, sagte er, ohne den betäubten Ausdruck seines Bruders wahrzunehmen. »Name Jagger Bank. Er ist unten im Obstgarten und füttert die Schweine… In letzter Zeit gehen viele Leute aus der Stadt weg. Ich seh’ sie die Straße vorbeikommen – vor einem Jahr hat man noch keine Menschenseele zu Fuß gesehen… Na, in hundert Jahren ist alles gleich. Komm rein, Jan, wenn du willst.«
    Es war seine längste Rede seit langem. Er setzte sich auf einen stabilen selbstgemachten Stuhl und verstummte, entleert von Neuigkeiten. Das Geschirr legte er vorsichtig vor sich auf den Tisch. Sein Bruder betrat den halbdunklen Raum, stellte fest, daß das Durcheinander seit seinem letzten Besuch zugenommen hatte, schob ein schmutziges Hemd von einem Stuhl und setzte sich auch. Hippo kam herein und blieb an der Tür stehen. Seine sauberen, funktionellen Linien und die keuschen Ornamente auf seinen Brustplatten kontrastierten mit der Unordnung ringsherum.
    »War dein Pursewarden ein Ingenieur, Rainy?«
    »Weiß nicht. Habe ihn nicht gefragt. Wir haben fast nur über Holz gesprochen, aber auch nicht viel.«
    Stille trat ein, ausgefüllt von Birdlips gewohnter unsicherer Mischung aus Liebe, Trauer und mörderischer Gereiztheit über die Selbstzufriedenheit seines Bruders.
    »Gibt es Neues?« fragte er scharf.
    »Sieht endlich mal nach einer guten Ernte aus.«
    Von Jan wollte er nie Neuigkeiten wissen.
    Birdlip schaute sich um und sah Rainys alte Ausgabe der Reihe Vorauswissenschaften halb verborgen unter Kleidung, Apfelkisten und

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