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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Phantasie mal die Zügel anzulegen. »Was soll denn deine Lehrerin denken über unsere Familienverhältnisse hier? Die geht noch hin und hetzt uns das Jugendamt auf den Hals!«
    Im Turnverein gefiel es mir nicht mehr. Liegestütze und Übungen mit dem Scheißmedizinball, bis man auf dem letzten Loch pfiff, immer der Schweißmaukengestank im Umkleideraum und wie gerädert nachhause kommen.
    Mama meldete mich wieder ab.
    Aus irgendeinem Grund war Piroschka in eine andere Klasse versetzt worden, und ich wollte die Brocken schon hinschmeißen, aber dann kam ich eines Tages aus dem Wambachtal und sah Piroschka in der Rudolf-Harbig-Straße auf dem Fahrrad im Kreis fahren.
    Ich kriegte einen Steifen, und es gab keinen Weg, in den ich abbiegen konnte. Was tun, sprach Zeus? Auf den Hacken kehrtmachen?
    Je näher ich Piroschka kam, desto öfter sah sie zu mir rüber, und als bei ihr war, blieb sie stehen. »Ich hab gehört, du schreibst Gedichte«, sagte sie. »Kannst du mir mal welche davon zeigen?«
    In meinem Zimmer zermarterte ich mir das Gehirn, was ich Piroschka genau geantwortet hatte. Daß die Gedichte erst den letzten Schliff kriegen müßten, aber danach würde ich sie ihr zu lesen geben, gut, aber was noch?
    Hoffentlich hatte sie nichts von meinem Steifen gemerkt.
    Für Piroschka brachte ich meine Gedichtekladde von der ersten bis zur letzten Seite auf Vordermann. Wörter ausradieren und gelungenere einsetzen. Ich schrieb auch noch ein neues Gedicht, nur für Piroschka, über den reißenden Wambach, der natürlich nicht überall reißend war, aber was war das Gegenteil von reißend?
    Ich ging Mama fragen, die in der Küche stand und Brote schmierte. Mettwurst und Emmentaler.
    »Was ist bei einem Bach das Gegenteil von reißend?«
    »Na, du hast Sorgen«, sagte Mama. »Das Gegenteil von reißend? Seicht, würd ich sagen.«
    Auf seicht reimte sich leicht und auf reißend beißend. Der Wambach. An manchen Stellen ist er seicht, an andern Stellen reißend. Rüberspringen kann man leicht, in ein Brötchen beißend.
    Ich las Mama das Gedicht vor, und sie sagte: »Reim dich oder ich freß dich.«
    In der großen Pause stand Piroschka mit Heike Zöhler und anderen Mädchen bei den Kletterstangen, aber ich genierte mich, da hinzugehen und Piroschka die Kladde mit meinen dichterischen Ergüssen zu überreichen. Ich verputzte mein Schulbrot mit Johannisbeergelee und schielte aus sicherer Entfernung zu Piroschka rüber.
    Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben.
    In der Schule war kein Durchkommen, also wanderte ich mit der Kladde in der Hand ein ums andere Mal durch die Rudolf-Harbig-Straße, aber Piroschka war wie vom Erdboden verschluckt.
    Renate brezelte sich für den Mittelball auf. Klopsaugen, gelber Mini mit großen roten Herzen und ein Stirnband mit roter Papierrose. »Aussehen tust du wie vom wilden Affen gebissen«, sagte Papa.
    Die Freundin, die Renate abholen kam, hatte auch einen Minirock an, einen quietschbunten. Mareike hieß die.
    Im Halbjahreszeugnis hatte ich eine Eins in Lesen und neun Zweien. Summa summarum fünf Mark fünfzig.
    Volker war jetzt Klassenbester. Er sagte, bei den Deppen in seiner Penne sei das keine große Kunst, aber er hatte wieder Oberwasser.
    Das Neueste vom Neuen war, daß wir plötzlich alle im Herbst für ein Jahr nach Amerika ziehen sollten. Das sei noch nicht spruchreif, sagte Mama, aber wir könnten uns schon mal mit dem Gedanken vertraut machen.
    Nach Amerika! Am Mississippi leben, mit Schoschonen und Schaufelraddampfern, statt am gammeligen Rhein. Meine Pläne mit Piroschka konnte ich dann aber wohl in der Pfeife rauchen.
    Mama erlaubte mir, Papas amerikanischen Weltatlas aus dem Schuber zu nehmen. Zentnerschwer, der Otto, und die Farbseiten stanken wie nichts Gutes.
    Neben den Karten waren Fotos von Ölpipelines in der Wüste, von der Chinesischen Mauer und von Indern beim Reispflükken.
    Die Rocky Mountains und die Niagarafälle. Kalifornien, Kentucky, Texas, Florida, Nebraska. Und dann dagegen: Rheinland-Pfalz.
    Was war besser, Piroschka oder Amerika?
    Hose wie Jacke. Mich würde sowieso keiner fragen.
    Drei Möbelpacker schleppten ein Mordstrumm von gebrauchtem Klavier durch die Garage und die Waschküche in den Hobbyraum. »Die schwarzen sind die schwersten!«
    Oma Schlosser hatte Geld dafür geschickt, mehr als tausend Mark. Renate war schon zum Klavierunterricht angemeldet. Wir andern sollten entweder Unterrichtsstunden nehmen wie Renate oder die Flossen von dem Klimperkasten

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