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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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sagte, daß Papa Mama versprochen habe, in der Zeit ihrer Abwesenheit den VW zu reparieren, aber daraus sei nichts geworden. Und nun müßten sie und Mama mit dem Zug nach Bielefeld juckeln. »So ein Umstand! Wenn Papa den VW in ’ne Werkstatt gebracht hätte, wäre der längst wieder verkehrstüchtig!«
    Gegen Mitternacht kamen Mama, Papa und Volker in Meppen an. Bei der ewig langen Überfahrt nach Hoek van Holland, sagte Mama, hätten hoher Seegang und infolgedessen allgemeine Übelkeit obwaltet.
    Im Wohnzimmer entkorkte Papa eine Flasche Weißwein. Nachdem alle angestoßen und den ersten Schluck getrunken hatten, sagte Papa, daß er mit sich zu Rate gegangen sei und beschlossen habe, sich einen Tag freizunehmen und Renate am Donnerstag nach Bielefeld zu fahren.
    Das war ein Wort.
    »Dann fahr ich aber mit!« rief Mama.
    Wiebke schlief schon, aber ich noch nicht, und zur Feier des Tages kriegte ich nun auch mal einen Schluck Wein zugeteilt. Der schmeckte säuerlich, und als ich ihn runtergewürgt hatte, wußte ich nicht, was ich davon halten sollte.
    Mama schwärmte von den Londoner Museen (eins davon mit Thomas Edisons erster Glühbirne). London, das sei eine Weltstadt aus lauter Kleinstädten. Übrigens hätten da herrenlos herumstehende Gepäckstücke dem nächsten Bobby gemeldet werden sollen, wegen der vielen Bombenattentate, und einmal habe Mama genau einem solchen Gepäckstück gegenübergestanden, aber keinen Bobby gesehen, und ’ne halbe Stunde später sei die Stelle von der Polizei abgeschirmt und von Menschen umlagert gewesen. Volker habe sich währenddessen Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett angesehen. Und nun noch was ganz anderes: Im feinen Pipps Hill Country Club, sagte Mama, hätten Volker und sie das Schwimmbad benutzen dürfen, weil Tante Therese und Onkel Bob da »members« seien. »Und Norman, dieser Größenwahnsinnige, der hat sich jetzt ’n Sportwagen mit Lotusmotor angeschafft!«
    Nur habe Volker leider nie die Klappe aufgemacht und sich bloß immer verschämt »Hello« und »Good-bye« abgebängt.
    Dann wurden Klamotten ausgepackt, von Marks & Spencer, die schwere Menge. Für mich fiel ein gnatschblaues, mit meterlangen Kragenlappen versehenes Hemd ab, dem mit unbewaffnetem Auge anzusehen war, daß man nicht mehr in die Sauna zu gehen brauchte, wenn man das Ding einen Tag lang getragen hatte.
    »Don’t drink water because fish shit in it«, sagte Papa.
    Am Ostermontag kriegte Papa Volker, Wiebke und mich zur Gartenarbeit ran: Klee aus dem Rasen rupfen. Keinen anderen Menschen auf der Welt hätte das kümmerliche bißchen Klee zwischen den Grashalmen gestört, aber Papa war jedes einzelne verdammte Kleeblättchen ein Dorn im Auge. Der Klee würde sich über den ganzen Rasen ausbreiten, wenn man nichts dagegen unternehme, behauptete Papa, und dann hätten wir irgendwann keinen Garten mehr, sondern ’ne Unkrautplantage.
    Na und? Ich hätte lieber in ’ner Unkrautplantage gewohnt, statt den Rasen stundenlang nach wildwüchsigen Kleeblättern zu durchforsten. Und das an einem der heiligsten Feiertage der Christenheit!
    »Nun stell dich doch nicht so bockbeinig an«, sagte Mama. »Gartenbesitzer müssen halt auch mal was tun für ihr Paradies! Ihr freut euch doch auch alle darüber, daß wir hier ’n schönen Garten haben und nicht irgendwo im Hochhaus eingepfercht sind!«
    Nein, darüber freute ich mich nicht im mindesten.
    In Deutsch las der Wolfert eine Erzählung des Dichters Heinrich von Kleist vor, eine »Ankedote aus dem letzten preußischen Kriege«, von anno dunnemals. Wie da ein Reiter gegen die Franzosen losgeritten sei:
    »Bassa Manelka!« ruft der Kerl, und gibt seinem Pferde die Sporen und sprengt auf sie ein; sprengt, so wahr Gott lebt, auf sie ein und greift sie, als ob er das ganze Hohenlohische Korps hinter sich hätte, an; dergestalt, daß, da die Chasseurs, ungewiß, ob nicht noch mehr Deutsche im Dorf sein mögen, einen Augenblick, wider ihre Gewohnheit, stutzen, er, mein Seel, ehe man noch eine Hand umkehrt, alle drei vom Sattel haut, die Pferde, die auf dem Platz herumlaufen, aufgreift, damit bei mir vorbeisprengt, und »Bassa Teremtetem!« ruft, und »Sieht Er wohl, Herr Wirt?« und »Adieus!« und »auf Wiedersehn!« und: »hoho! hoho! hoho!« – – So einen Kerl, sprach der Wirt, habe ich Zeit meines Lebens nicht gesehen.
    Kleist, sagte der Wolfert, sei der bedeutendste Grammatiker der deutschen Literaturgeschichte.
    Auf dem Pausenhof stürzten Hermann Gerdes

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