Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
fliegt sie in die Kerze rein, dann hat sie sich selbst erledigt«, sagte Renate.
»Oder wir machen das Licht aus«, schlug Olafs Vater vor, »dann siehtse nix mehr!«
»Die macht einfach im Blindflug weiter!« rief Onkel Edgar.
»Und wo isse jetzt?«
»Eben war sie noch da vorne!«
»Hier, hier, auf dem Lampenschirm!«
»Richard, laß die Lampe heil!« schrie Mama, aber Papa haute trotzdem herbe zu.
»Das hat gesessen!« rief Onkel Edgar. »Waidmannsheil!«
Papa suchte nach der toten Fliege, bis wir merkten, daß die quicklebendig oben an der Decke saß. Olafs Vater erbot sich, eine Leiter zu holen.
»Ach, nun laßt das arme Tierchen da doch sitzen«, sagte Tante Gertrud, aber das paßte Onkel Edgar wieder nicht ins Konzept: »Wenn die Fliege sich fallenläßt, dann krieg ich einen auf den Dassel!«
»Nee«, rief Olafs Vater, »wenn die was fallenläßt, dann kriege ich’s hier auf die Nase ...«
»Die sitzt doch jetzt über Kopf«, sagte Papa, »da geht das gar nicht.«
Vorm Einschlafen fragte ich mich, ob das in anderen Familien so ähnlich war, wenn die was zu feiern hatten, oder ob es auch welche gab, die sich über Politik oder über Kunst und Literatur unterhielten statt über Stubenfliegen.
Auf der Terrasse wurde nach dem Frühstück schon wieder Sekt gepichelt. Die Gäste verzogen sich nach und nach, und ich schrieb einen langen Brief an Michael, obwohl es nichts grundstürzend Neues zu vermelden gab.
I journey down the hundred steps,
But the street is still the very same ...
Oma und Opa Jever fuhren von Meppen mit der Bahn weiter nach Würzburg, wo sie sich in einem Hotel ein Doppelzimmer reserviert hatten, für geschlagene acht Tage. »Das ist unsere Goldene Hochzeitsreise«, sagte Oma Jever fröhlich, und da tat sie mir auf einmal leid: Wenn sie sich wirklich so maßlos auf diese acht Tage mit Opa Jever freute, konnte in ihrem Leben sonst ja wohl nicht allzuville los sein, dachte ich. Bei der Abreise benahm sie sich so zappelig, als ob’s direktemang nach Disneyland ginge und nicht nach fucking old Würzburg.
In einem Krimi mit Humphrey Bogart sah man anfangs alles aus dessen Augen, mit subjektiver Kamera, aber das brachte es nicht, denn man hoffte ja Bogart zu sehen und nicht die Leute, die ihm in dem Film vor die Flinte liefen.
Mit der Kernspaltung, der Kernfusion und den daraus resultierenden Kettenreaktionen wollte ich als normaler Mensch nichts zu packen haben. In dem Physikbuch, das wir benutzen mußten, war ein Atompilz abgebildet. Auf Hiroshima hatten die Amis 1945 eine Uranbombe abgeworfen und auf Nagasaki eine Plutoniumbombe. Toll, was diese Physiker so alles zuwege brachten. Da hatten sie’s wohl auch mal so schön knallen und stinken lassen wollen wie die Chemiker mit ihren Siliciumverbindungen und dem ganzen anderen Dreck.
Bei unseren Wanderungen durch die Innenstadt stießen Hermann und ich eines Tages in der großen Pause auf den Märchenhörtisch in der Kreissparkasse. Da konnte man sich auf Kinderstühlchen pflanzen und sich Kopfhörer aufsetzen.
»Schön Hühnchen, schön Hähnchen, und du, schöne bunte Kuh, was sagst du dazu?« Die Tiere antworteten abermals: »Duks!« Und es geschah alles wie am vorigen Tag ...
Die Sparkassenangestellten kuckten uns komisch an, als wir da auf den Stühlchen thronten und uns die Märchen anhörten, aber wegjagen konnten uns diese Typen auch nicht so einfach, denn wir taten ja nichts, außer daß wir da herumhockten.
»Wie links willst du eigentlich noch werden?« fragte mich Mama, als ich zuhause mit der neuen konkret in der Hand nach oben ging. »Klassenjustiz: Putschisten in der Robe«, hieß die Titelgeschichte, und auf dem Titelbild war ein Richter zu sehen, der Paragraphen zerhämmerte.
In dieser Nummer ging der Herausgeber Gremliza aber nicht mit der bürgerlichen Klassenjustiz ins Gericht, sondern mit einem Schöngeist von der DKP, der die Sowjetunion bereist und seine Erlebnisse feuilletonistisch verwurstet hatte.
Fröstelnd gehe ich über den Roten Platz, diese große Empfangshalle des Weltproletariats, halte Zwiesprache mit dem Genossen Lenin ... Die Moskauer U-Bahnhöfe wirken erhaben und erhebend wie Kirchenhallen, sie sind prunkvolle Katakomben tief in Mutter Erdes Schoß, in denen allzu irdisches Trachten ganz von selber abstirbt ... Drei Kilometer breit strömt hier bei Wolgograd die Zeit in die Ewigkeit ...
Dazu merkte Gremliza an, daß es besser wäre, wenn der lyrische Dreck, mit dem die
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