Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
vergönnt.
Als die Geschäfte wieder offenhatten, wollte ich mir bei Comet zwei Flaschen Warsteiner kaufen. Das durfte ich ja jetzt, ganz offiziell.
Vor mir in der Schlange stand eine alte Frau mit einer Packung Klopapier im Einkaufswagen. »Hakle feucht« – was für ein Markenname! Da hätte die Firma ihr Produkt ja auch gleich »Wisch dir hiermit naß den Arsch ab« nennen können. Unbegreiflich, daß es Leute gab, die sich nicht genierten, sowas auf das Kassenförderband zu legen, vor aller Augen! Ich hätte nicht einmal normales Klopapier einkaufen wollen. Hakle trocken.
Der Kassiererin mußte ich meinen Ausweis zeigen.
Für den Transport der Bierflaschen hatte ich meinen Turnbeutel dabei. Wenn ich den zuhause in mein Zimmer trug, würde mir Mama keine dummen Fragen stellen, vorausgesetzt, daß sie kein Flaschenklötern hörte, und das hörte sie nicht, weil ich den Beutel oben stramm genug anfaßte.
Das Bier teilte ich mir gut ein: Die erste Flasche vor dem Western im zweiten Programm und die zweite danach. In dem Western schoß James Stewart mit einer Winchester so zielsicher durch das winzige Loch in der Mitte einer hochgeworfenen Münze, daß die nicht den kleinsten Kratzer abbekam. Weil aber natürlich niemand glauben wollte, daß die Kugel wirklich durch das Loch geflogen sei, wiederholte Jimmy Stewart den Kunstschuß, nachdem er eine Briefmarke über das Loch geklebt hatte. Und siehe da, die Marke war hinterher durchlöchert, genau an der richtigen Stelle!
Papa hatte sich eine Hobelmaschine gekauft. Da flogen die Späne wie Konfetti oben raus, und die Maschine machte einen Haufen Krach, aber längst nicht so viel wie die gräsige Kreissäge.
Am Vorabend ihrer Verlobungsfeier breitete Renate auf dem Eßtisch ihre Fotos von der Goldenen Hochzeit in Jever aus. Die mit mir drauf fand ich alle grauenvoll, besonders die, wo man mich auf der Tanzfläche herumwackeln sah, mit einem Riesenfettfleck auf der Hose. Schandbar! Die Negative und sämtliche Abzüge hätten eingeäschert gehört.
Von unseren Nachbarn, den Schmölders, borgte Mama sich ein Sofa aus, zur Ergänzung unserer Sitzlandschaft im Wohnzimmer. Im Hauswirtschaftsraum standen Bierkisten und Weinflaschen bereit für das große Ereignis, und im Kühlschrank nahmen die Sektflaschen allen anderen Lebensmitteln den Platz weg.
Olafs Eltern hatten sich in Meppen ein Hotelzimmer genommen und kamen spätabends noch bei uns vorbei, »nur auf einen Sprung«, wie es hieß, und dann blieben sie natürlich trotzdem so lange, daß ich mir den Spielfilm »Der rosarote Panther« nicht im Wohnzimmer ansehen konnte.
Nachdem ich dem Zweitfernseher um kurz nach elf ein paar aufs Dach gegeben hatte, sprang er gottlob wieder an, gerade zur rechten Zeit. Die beste Szene kam allerdings erst ganz zum Schluß: Da jagten nachts lauter verkleidete Leute hintereinander her, motorisiert, in Gorillakostümen, oder auch als Zebra drapiert. Ein Passant, der das Treiben zufällig mitbekam, holte sich aus einer Kneipe einen Stuhl, um den ganzen Quatsch in Ruhe betrachten zu können, und am Ende rasselten die Autos alle ineinander.
An ihrem Verlobungstag waren Renate und Olaf exakt seit fünf Jahren ein Pärchen. »Und was wir für ein Glück mit dem Wetter haben!« rief Renate.
Die Zeremonie fand vormittags auf der Gartenterrasse statt. Papa quälte sich im Sitzen mit dem Öffnen der ersten Buddel Sekt ab. Da sollte nichts herausschäumen, aber dann knallte der Korken eben doch mit 3000 atü unters Terrassendach, und bevor Mama ein Glas zu fassen kriegen konnte, war Papa die Gischt aus dem Flaschenhals über die Hände und über die Hosenbeine geflossen.
Nun müßten wir ja wohl den Notarzt rufen, sagte Olafs Vater, während Mama ins Haus rannte, einen Lappen holen. Beim Entkorken der zweiten Flasche paßte Papa dann besser auf, und als die Gläser gefüllt waren, filmte Olafs Vater mit Olafs Super-8-Kamera, wie Renate und Olaf einander die Verlobungsringe ansteckten und sich küßten.
Nach dem Mittagessen fuhren Olafs Eltern in ihr Hotel zurück, um den Schmorbraten zu verdauen, den Mama zubereitet hatte, und Papa zog sich seinen alten Panzeranzug an.
»Ich seh doch wohl nicht richtig«, sagte Mama, aber Papa wollte wirklich in den Garten gehen und Erde sieben, solange sich die restlichen Gäste noch im Anmarsch befanden.
In der Küche sah es aus wie nach ’ner Handgranatenexplosion. Mama hastete zwischen Kühlschrank und Geschirrspüler umher, und dann mußte sie
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