Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
traf eine Postkarte von Onkel Walter ein: In Marienwerder habe er sich alles wieder angesehen. Das Haus stehe nahezu unverändert da, ebenso wie der Dom und das Schloß ...
Immer dieser Ostpreußenfimmel. Und was war mit der Horchheimer Höhe? Hatte nicht auch ich meine Heimat verloren?
Kurz nach sechs rief Tante Dagmar an und fragte mich, ob denn schon jemand zu mir gesagt habe, daß ich »süße siebzehn« sei. Und ob mir der Pullover passe. »Und nun drück mal die Daumen, daß das Wetter beständiger wird und daß der Matthiesen die Wahl gewinnt in Schleswig-Holstein, damit er die Kündigung des NDR-Staatsvertrags rückgängig macht, denn sonst ist es vielleicht das letzte Mal gewesen, daß ich dir was zukommen lassen kann ...« Wenn die CDU aus dem NDR den Sender Radio Bahlsen mache, würden sicherlich als erstes die Gehälter gekürzt. »Aber damit will ich dich nicht nerven! Noch viel Spaß, mien Leev!«
»Radio Bahlsen«, das bezog sich darauf, daß der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht früher mal Geschaftsführer der Keksfirma Bahlsen gewesen war.
Am Sonntag fuhr Papa im Anzug nach Bielefeld, Oma Schlosser besuchen, und Mama chauffierte Wiebke und Renée zum Tretbootfahren nach Dankern. Es war Wiebke deutlich anzumerken, daß Renée ihr auf den Zeiger ging. Nach dem Tretbootfahren, das selbstverständlich ohne mich stattgefunden hatte, erbot ich mich, mit Wiebke und Renée eine Partie Memory zu spielen. Wiebke verdrehte die Augen, aber Renée war dafür zu haben, und dann setzten wir uns zu dritt an den Eßtisch.
Von mir aus hätte Wieke dabei gar nicht mitmachen müssen. Mir hätte es gereicht, unterm Tisch mit dem Knie Kontakt zu den Beinen dieser hübschen Französin aufzunehmen, aber Wiebke saß die ganze Zeit dabei wie ein übellauniger Anstandswauwau, und ich konnte ich ja auch nicht einfach zu ihr sagen, daß sie jetzt besser mal weggehen solle ...
Die Nachricht, daß die CDU die Landtagswahl in Schleswig-Holstein gewonnen hatte, platzte mitten in die beste Stelle eines Charlie-Chaplin-Films herein.
Welche Partei Charles Chaplin wohl gewählt hätte? Die CDU, huhu?
Die schleswig-holsteinischen Christdemokraten wurden von Gerhard Stoltenberg angeführt. Dem ging der Ruf voraus, daß er »der große Klare aus dem Norden« sei, aber damit konnte er bei uns nicht punkten.»Dieser Stoltenberg ist auch nur so ’ne Großfresse«, sagte Papa, als er aus Bielefeld zurück war.
Michael empfahl mir, einen Exorzisten aufzusuchen.
Man könnte tatsächlich abergläubisch werden: Auf dem Rückweg vom Bahnhof hat es tatsächlich nicht mehr geregnet.
Und von was soll ich jetzt schreiben? Es ist nichts passiert. Das Wetter ist beschissen, nach wie vor. Wundert mich eigentlich. Du bist doch weg? Ach ja, richtig – Deine Bücher. Die muß ich sofort verbrennen, dann wird’s wieder schönes Wetter geben. Aber im Grunde ist das Regenwetter ja ganz gut. Man kann wenigstens im Bett liegen und lesen, ohne dabei zu schwitzen. Morgen gibt es sicher strahlenden Sonnenschein.
Genau wie gestern. Der ganze Himmel voller Wolken, und ein eisiger Wind weht um sämtliche Ecken, so daß man sogar im Haus friert. Weil ich in die Stadt will, um die Geige zum Onkel Doktor zu bringen, ziehe ich mich also dick an. Aber kaum sitze ich im Bus, da knallt die Sonne so gegen die Fenster, daß ich Verbrennungen zwölften Grades erleide. Nicht zu fassen! Das Pech klebt an mir wie Pattex. In drei, vier Wochen wird sich die Lage wohl wieder normalisieren, dann dürfte Dein Einfluß verflogen sein.
Du hast also wieder Schule? Wie war denn die Sportstunde? Oder Deutsch? Und Latein? Hähähä! Du hast es verdient. Möchte mal wissen, wieso Meppen nicht abgebrannt ist. Schließlich lebst Du doch da! Seit vier Jahren ... das müßte eine solche Anhäufung von Pech ergeben, daß ein Inferno unvermeidlich ist! Aber wahrscheinlich ist es die größte Katastrophe für Meppen, daß es nicht abbrennt, sondern weiterexistiert.
Gleich fahre ich wieder in die Stadt. Muß doch was zu lesen haben für den Rest der Ferien. Deine Bücher rühre ich erst an, wenn sie nicht mehr voll Pech kleben. Das kann noch lange dauern. Vermutlich sind sie bis in alle Ewigkeit verflucht. Wenn sie in ein paar tausend Jahren von irgendwelchen Forschern ausgebuddelt werden sollten, dann ist das Schicksal dieser armen Leute besiegelt. Wie bei den Pyramiden.
Genug vom Pech gefaselt. Was für ’n Buch soll ich mir denn holen? Ich werde mich
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