Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Freundin vollkommen.
Nach dem Zapfenstreich kam der UvD gezählte siebenmal herein, um die Sabbelei zu unterbinden. Beim ersten Mal kippte er nur kommentarlos den Aschenbecherinhalt auf den Tisch, beim zweiten bis sechsten Mal bat er mit wachsender Lautstärke um Ruhe, und beim siebenten Male gipfelte sein Geschrei in der Botschaft: »Wenn die Stube noch einmal auffällt, gibt’s den Riesenstunk!«
Wie in der Jugendherberge. Nur daß man mittlerweile erwachsen war.
Beim Schießen mußte man einen klobigen Gehörschutz tragen und darüber noch den Stahlhelm. So konnte ich im Liegen aber nichts mehr sehen. Ein Gefreiter, den ich darauf aufmerksam machte, drückte mir den Helm wie blöde ins Genick, was den Druck auf die Ohren schmerzhaft erhöhte, ohne die Sicht zu verbessern, und das verantwortliche Rindvieh von Oberfeldwebel zerrte an der Kapuze meines Parkas rum und brüllte: »Jetzt geht’s, wa?«
Schoß ich eben blind. Mir doch egal.
Anschließend Rödeln im Walde.
Statt in Stellung hätten wir dagelegen wie die Würstchen im Sauerkraut, schnauzte der schwer zufriedenzustellende Oberleutnant Wagner zum krönenden Abschluß. Dann straffte er sich und schrie: »Ich rieche einen ortsfremden Geruch … ABC -Alarm!«
O Shit. Ich hatte wieder meinen Poncho nicht dabei.
Wagner ließ die ganze Kompanie nach dem ABC an sich vorüberdefilieren, Mann für Mann, und es gab keine Hintertür im Grünen.
Als er mich anschiß, redete ich mich damit raus, daß ich den Poncho entweder im Gelände verloren oder womöglich nur einzupacken vergessen hätte, und damit kam ich durch.
»Iiii! Oooo! Aaaa! Iiii!«
Und wieder Gewehrreinigen. Dehnert und Selcke im Zwiegespräch.
»Von der Luftwaffe hat sich einer umzubringen versucht.«
»Tatsache?«
»Mit Schlaftabletten. Hat aber nix gebracht.«
»Die von der Luftwaffe sind eben zu allem zu doof.«
Ein »Morgenspaziergang« war fällig. Zehn Kilometer in voller Ausrüstung durch Wald und Flur und auch durchs Randgebiet einer kleinen Stadt: Einem Holländer, der vor uns ausgespuckt hätte, wär’s nicht zu verdenken gewesen.
Die abschließende Spindkontrolle führte Hauptmann Focke am Freitag persönlich durch. Nach langer Suche fand er ein paar mikroskopisch kleine Fasern, die in seiner Wahrnehmung eine »dicke Staubschicht« bildeten. »Dafür hätte mich der UvD vor dreiundzwanzig Jahren einfach dabehalten«, sagte er und blickte augenzwinkernd um sich. »Trotzdem schönes Wochenende.«
Im Zug nach Bielefeld erzählte mir ein Luftwaffensoldat, daß er und noch ein paar andere aus seiner Kompanie auf Befehl ihres Hauptmanns neulich Anti-Bundeswehr-Demo gespielt hätten, im Wald, mit Motorradhelmen, Megaphon und roten Fahnen, um die zukünftigen Ausbilder zu testen, die da Unterricht genossen hatten. »Wir so voll im Sitzstreik, und die mußten uns dann einzeln wegschleifen …«
Wäre das nicht, wenn schon, die Sache der Polizei gewesen? Im Inland durfte die Bundeswehr doch gar nicht eingesetzt werden.
Für Heikes Mitbewohnerin Steffi konnte ich mich nicht erwärmen. Die wirkte mir zu bieder mit ihren Zöpfen, ihrem Kräutertee und ihrem Peace-Button am Pulli. In ihrem Zimmer fackelte sie Räucherstäbchen ab, und die Toilettenwände hatte sie mit neuen dösigen Friedensgedichten verziert.
Gesehen hatte ich von Bielefeld noch nicht gerade viel. Es regnete zu oft, und für exzessive Kneipenbesuche fehlte uns der Schotter. Das dauernde Hocken in Heikes Zimmer machte einen aber irgendwann rappelig. Oder vollends lethargisch.
»Martin?«
»Ja?«
»Schläfst du schon?«
»So halbe-halbe.«
»Die Bullen haben das Hüttendorf an der Startbahn West geräumt.«
»Welches Hüttendorf?«
»Na, das Hüttendorf von den Gegnern dieser Startbahn da in Frankfurt!«
»So?«
»Die haben da echt alles niedergewalzt.«
»Wie kommst ’n du da jetzt drauf?«
»Das hat mich halt unheimlich beschäftigt diese Woche.«
»Sag mal, mußt du eigentlich so oft ›echt‹ und ›unheimlich‹ sagen? Das is’ ja direkt schon peinlich manchmal.«
»Dann solltest du nicht so oft ›direkt‹ sagen. Das sagst du nämlich echt unheimlich oft …«
Am heimeligsten war’s mit Dope. Schön breit sein und dann Haut an Haut beisammenliegen, mühelos, wie aus der Zeit gefallen, und kein Gedanke mehr an irgendwas.
Außer vielleicht ans Essen. Zwischen zwei und drei Uhr nachts trieb uns der drogeninduzierte Heißhunger dazu, eine ganze Packung Spaghetti zu kochen und zu verschmausen, nur
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