Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Aber dann trat das gleiche Problem wie bei Dostojewski auf: Ich mochte diese fingerlangen russischen Namen nicht lesen. Fürst Stepan Arkadjewitsch Oblonski-Stiwa, Matrjona Filimonowna, Darja Alexandrowna, Anna Arkadjewna, Philipp Iwanowitsch Nikitin, Michael Stanislawitsch Grinewitsch …
Mit Frank Schulz und Susi Fischer wär’s vielleicht gegangen.
Für Herrn Thielke unternahm ich kleine Botengänge. Mal zur Post und mal zur Sparkasse und einmal auch zum DPWV . Auf diese Klitsche war ich immer noch leicht sauer, weil ich da als Zivi nicht hatte landen können. Und jetzt sah ich erst, wie deren Chefetage aussah – Teppiche von orientalischer Machart, Möbel wie aus dem Antiquitätengeschäft und edelholzvertäfelte Decken mit Schnitzereien. So viel zur Gemeinnützigkeit!
Auf meinen letzten Brief hatte Georg Krause nicht geantwortet, aber ich schrieb ihm trotzdem noch einen.
In »Fitzcarraldo«, Werner Herzogs neuem Film, spielte Klaus Kinski einen Psychopathen, der ein Schiff über einen Berg im peruanischen Urwald bugsieren wollte. Mit der Handlung konnte Heike nicht viel anfangen, und ich selber wußte auch nicht, was ich davon halten sollte.
Ein Brief von Mona. Neues über ihren Sinnestaumel mit dem Lüstling Heiner Volkert? Oder hatte sie den ad acta gelegt?
Abi, Abi, Abi! Stell Dir vor, ich habe die erste Klausur schon hinter mir. Französisch. Ja, schwer war’s nun wohl doch ’n bißchen, aber man tut, was man kann! Und witzig war es auch. Dieses Theater mit Stempel, Stempel, Stempel und Deckblatt und Siegel aufbrechen und geheimnisvollen Mienen und Zittern, Zittern. Wir bekamen Verlaine, so wie ich es mir gedacht hatte. Und morgen gibt es Mathe. Ich will wirklich nur vier Punkte, aber das wird schwierig!
Vielen Dank für Deinen Erlebnisbericht aus Hamburg. Ich habe mich köstlich amüsiert. Schreib doch mal ein Buch über Deine Abenteuer mit Hermann, das wird bestimmt verkauft wie warme Semmeln. Ihr zwei habt aber auch wirklich ein seltenes Geschick, interessant zu leben (oder zu reisen).
Vornehm ausgedrückt.
Hermann hat mir übrigens mal gesagt, ich würde für ihn sein schlechtes Gewissen symbolisieren. Ich ahne auch, worauf dieses Bild beruht. Wahrscheinlich habe ich ihn am Anfang seiner Zivildienstzeit zu oft als faul, ideallos und ausbeutend hingestellt. Ich kann mich erinnern, daß er damals immer voller Stolz erzählt hat, wie er es wieder geschafft habe, sich krankschreiben zu lassen und noch mehr Geld herauszuschinden. Ich fand das gar nicht so lustig und habe sein Verhalten dann auch oft in Frage gestellt. Aber es war mehr spaßhaft gemeint.
Ich begebe mich jetzt wieder an mein tägliches Lernen.
Und ich mich an mein tägliches Vergessen.
»Ich will hochherrschaftlich bei dir soupieren«, hatte Hermann mir am Telefon gesagt und war dann losgetrampt.
Als Küchenchef dachte ich an ein Nudelgericht mit was Fischigem. Seelachs? Oder Kabeljau? Den Seelachs kriegte man in pfannenfertigen Filets; das gab den Ausschlag.
Mit Hermann rechnete ich so für sechs oder sieben Uhr. Er lief aber erst um halb neun zu unserem Herrenabend ein, und da hatte ich den Seelachs schon alleine aufgegessen, und die Nudeln waren zerkocht. Hermann spie sie aus. Wir disponierten um und entschieden uns für eine Imbißbudenvisite.
Vorher wollte er aber noch die Wohnung sehen. Da Bärbel und Edith übers Wochenende verreist waren, konnten wir frei dabei sprechen.
»Dann bist du hier also der Hahn im Korb …«
»Wenn du die Hennen gesehen hättest, würdest du anders reden …«
Auf dem Fußweg in die Stadt verdrückten wir mehrere Bratwürste und sprachen uns über die Eigenheiten unserer Freundinnen aus. An Astrid störte Hermann vornehmlich deren Morgenkosmetikmacke. »Einmal wollten wir ’n Ausflug machen, gar nichts Großes, nur zum Stadtpark, und ich mußte nach dem Frühstücken sage und schreibe zwei Stunden – hast du gehört? – zwei ganze Stunden auf Astrid warten, weil die sich in ihrem Badezimmer eingeschlossen hatte, um sich schönzumachen …«
Dagegen war ja Heike fast ein Muster an Natürlichkeit, wenn man mal von der verbissenen Einstellung zur französischen Aktmalerei absah.
Im Rahmen einer kleinen Stadtführung zeigte ich Hermann die AWO , die Fußgängerzone, das Parkhaus und den Jahnplatz, und dann widmeten wir uns in einem gutbürgerlichen Bierlokal der Planung eines Trips nach Amsterdam. Nur Hermann und ich. Anfang April zwei Tage freinehmen und ein verlängertes Wochenende in
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