Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
jetzt verjubelt er unsere Notgroschen …«
Was das wohl für ein Landsmann gewesen war. Ein Albaner, schätzte Hermann, dem Aussehen nach. Oder ein Kroate. »Überleg dir mal, was der für einen Reibach macht mit seiner Masche!«
Die Leute, die gewonnen hatten, waren sicher die Komplizen. Alles Dreckschweine. Denen hätte man die Kraaker auf den Hals schicken müssen. Das waren die militanten holländischen Hausbesetzer.
Und wir Idioten lagen da und konnten Henna rauchen.
Heike brachte nicht viel Mitleid für mich auf. Wer so dumm sei, der gehöre bestraft.
Im Spiegel stand ein Artikel über einen in die Bundesrepublik geflohenen Kurden namens Külcan, der in der Türkei gefoltert worden war, aber nach Ansicht des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs getrost wieder heimgeschickt werden konnte.
Jeweils zwanzig Minuten lang wurde er der Bastonade unterzogen. Polizisten verprügelten ihm Hände, Rücken und Gesicht blutig und übergossen die Wunden anschließend mit Salzwasser.
Doch asylrechtlich, entschieden die Richter, sei dieses »eindrucksvolle Beispiel menschenrechtswidriger Behandlung« ohne Belang. Denn Külcan sei nicht politisch, sondern nur »im Zuge gewöhnlicher strafrechtlicher Ermittlungen« verfolgt worden, gemäß Artikel 142 des türkischen Strafgesetzbuchs.
Ob diese Richter auch dann noch so kaltschnäuzig gewesen wären, wenn man sie im Zuge gewöhnlicher strafrechtlicher Ermittlungen blutig geschlagen und ihnen Salzwasser in die Wunden gegossen hätte?
Der zweite Marx/Engels-Band lag aufgeklappt in meiner herausgezogenen Schreibtischschublade, als ich Frau Perlachers Radio ein Programm mit klassischer Musik zu entlocken versuchte, und da kam Frau Hülshoff herein.
»Herr Schlosser, Sie sollen –«
Was ich noch gesollt hätte, verschluckte sie. Ihr Blick fiel auf das Buch und dann auf mich am Radio. Nach Arbeit sah das hier nicht aus; das war mir klar.
»Herr Schlosser«, sagte Frau Hülshoff, »wenn Sie hier fertig sind, dann sollen Sie die Kaffeeküche bitte noch aufräumen.«
Und klapp, die Tür zu.
Brrr!
Auf der Durchreise nach Hannover machte die Familie Blum bei mir Station, und Renate erzählte von ihrem Überraschungsbesuch in Meppen zu Karneval. »Mama und Papa sind ja fast die Augen rausgefallen! Weil der Keller offen war, sind wir da reingegangen und natürlich Papa in die Arme gelaufen. Sonst hätten wir Lisa mit ’ner Flasche Sherry im Arm vor die Haustür gesetzt und geklingelt und uns selber dann hinter der nächsten Ecke versteckt …«
Olaf fragte, ob man in meiner Wohngemeinschaft auch Bier trinken dürfe.
Mit seiner Doktorarbeit, das werde wohl nix. Er müsse jetzt Taxi fahren, um die Haushaltskasse aufzufüllen.
Heike fuhr über Ostern nach Meppen. Ich nicht. Ich nahm in Bielefeld am Ostermarsch teil, aber das hätte ich mir schenken können. Für den Bestand oder Nichtbestand der Atomwaffenarsenale war es Hose wie Jacke, ob irgendwelche Friedensfreunde bei Mistwetter durch halb Bielefeld latschten oder nicht. Ein transusigeres Schauspiel hätte auch der Veranstaltungskalender von Meppen nicht hergegeben.
Georg Krause hatte sein Kommen annonciert, und ich empfing ihn in meinem österlich bärbel- und edithlosen Palais wie einen Fürsten. Es gab Koteletts mit Kartoffeln und Erbsen und dazu ’ne Kiste Bier, die ich mit übermenschlichlicher Kraft den Gellershagener Hügel hochgewuchtet hatte. Wir Veteranen wußten eben, was wir einander schuldig waren.
Seit November hatte Georg insgesamt vier Freundinnen verschlissen. Er berichtete auch viel von den Krächen und Eifersüchteleien in seinem Orchester: Wie die »Tuttischweine« sich an den Solisten rieben und solche Sachen.
Nach dem dritten oder vierten Bier zeigte er sich verwundert darüber, daß ich keine Anstalten zum Aufbruch machte. »Laß uns doch zu deiner Stammkneipe gehen!«
Stammkneipe? »Wie kommst du darauf, daß ich ’ne Stammkneipe hab?«
»Ich glaub, mich streift ’n Bus! Du hockst doch wohl kaum allabendlich in deiner Bude rum und glotzt die Wände an! Jetzt komm schon, laß uns ausgehen! Zeig mir mal die Bielefelder Szene! Gibt’s hier irgendwo ’n fetzigen Jazzkeller?«
Er dachte tatsächlich, daß ich von sowas Ahnung hätte, und entsprechend herb war seine Enttäuschung.
Da am nächsten Tag die Sonne schien, bot sich ein Spaziergang durch den Teutoburger Wald an. Wobei ich ja sagen mußte, daß der Ausdruck Wald stark übertrieben war für dieses ausgefranste, schnöde, von
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