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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Vergewaltigungen gekommen sein!«
    Dann wollte er wissen, ob ich die neue konkret gelesen hätte. Genauer: die Reportage aus dem Iran. Da sei alles halb so wild. Der konkret -Reporter Kai Hermann habe einen Gefängnisdirektor namens Ladjewardi getroffen und bezeugt, wie zuvorkommend der die Häftlinge behandele:
    Es gibt Kekse. Ladjewardi klopft den Jungen auf die Schulter mit väterlichen Ermahnungen. Die scherzen zurück, geben sich eher selbstbewußt als unterwürfig – wie während des gesamten einstündigen Gesprächs. Über allem hängt das Photo eines lachenden Chomeini.
    Nein, wie herztausig!
    Überall wird irgendetwas verschönert … Ladjewardi scherzt mal hier, mal dort … Die Gefangenen, fast alle sehr jung, begrüßen ihren Direktor eher lässig. Ich habe in der Bundesrepublik noch kein so freundlich scheinendes Jugendgefängnis gesehen.
    »So wird hier Propaganda für ein Folterregime gemacht«, sagte Hermann. »Und die Gefangenen kriegen sogar Kekse!«
    Als Reiselektüre hatte ich mir Rolf Dieter Brinkmanns Opus »Rom, Blicke« besorgt: Tagebuchaufzeichnungen und Briefe aus dem Nachlaß.
    Hermann hatte einen Rekorder und Kassetten mit dabei. Auf einer krähte das Multitalent Joseph Beuys ein Friedenslied:
    Wir wollen Sonne
    statt Reagan,
    ohne Rüstung leben,
    ob Ost, ob West,
    Kalten Kriegern die Pest!
    Verglichen damit war selbst der notorisch unmusikalische Hermann ein wahrer Caruso.
    Dieser Reagan kommt als Mann der Rüstungsindustrie,
    but the people of the States don’t want it – nie!
    Und den wahren Frieden wird’s erst geben
    wenn alle Menschen ohne Waffen leben …
    Refrain:
    Wir wollen Sonne
    statt Reagan,
    ohne Rüstung leben,
    ob West, ob Ost
    auf Raketen muß Rost!
    Der Reim »Reagan – leben« war natürlich barbarisch. Und ich glaubte auch nicht unbesehen an die Opposition der Amerikaner zur Rüstungslobby.
    Mit einem Zelt, zwei Schlafsäcken, zwei Luftmatratzen, der nötigen Wäsche zum Wechseln und vielen Fressalien brachen wir am Vormittag ins Ungewisse auf. Wem wir wohl so begegnen würden unterwegs? Außer Hans-Jürgen Dörfel?
    Der Fahrer Nummer eins peilte Dortmund an und schwadronierte bei Tempo 160 über die Revolution: »Gegen die herrschende Klasse muß ’ne breite Volksfront hergestellt werden! Lest mal was, wie ich, dann werdet ihr merken, daß heute andere Wege materialistisch gegangen werden müssen! Ihr seid völlig befangen im bürgerlichen begriffslosen Lavieren! Wir brauchen ’ne Guerillastrategie gegen das spätkapitalistische System! Vor zehn Jahren, da waren’s noch drei kleine Mollis, aber jetzt sind’s immerhin schon zwanzig oder dreißig!« Und so weiter und so weiter. Bald schon werde die Stunde der antikapitalistischen Erhebung gegen den Apparat der Schweine schlagen …
    Hermann, der wohl auch mal zeigen wollte, was er draufhatte, fing vom »Taylorismus« an, also der profitorientierten Zerlegung der menschlichen Industriearbeit in immer winzigere Schritte, doch der Fahrer sabbelte roh dazwischen.
    »Rudi Dutschke redivivus«, sagte Hermann, als wir in Lichtendorf ausgestiegen waren. Zur Stärkung holten wir uns jeder ein Eis der Marke Flutschfinger. Dann schwenkten wir, weil es sich so ergab, auf die Siegerlandlinie um und stießen über den Großraum Frankfurt nach Bayern vor, mit einem LKW , dessen Fahrer sich als manischer CB -Funker betätigte und eine Zuhörerschaft von unbekannter Größe mit markigen Sprüchen und Standortdurchsagen unterhielt: »Und hier meldet sich wieder Harald, der Lenkradbeißer!«
    Auf der Raststätte Spessart erlebten wir es, daß ein Fahrer, der uns erblickt hatte, auf der Autobahn anhielt und rückwärts in die Raststättenausfahrt fuhr, um uns einzusammeln. Von dem erfuhren wir, daß die deutsche Mannschaft tags zuvor bei der Weltmeisterschaft den Gastgeber Spanien 2:1 geschlagen hatte.
    Ach Gott ja, die WM ! Mein Interesse daran tendierte gegen Null. Die Brasilianer sollte man aber gesehen haben, meinte der Fahrer. »Übermorgen werden sie Italien naßmachen! Denkt an meine Worte!«
    Hinter Würzburg ließen wir uns an einer Tankstelle absetzen, flankten über die Leitplanke und gingen querfeldein, bis wir einen guten Lagerplatz fanden, an einem flach abfallenden, wiesengepolsterten Hang, zu dessen Füßen sich ein Wanderweg dahinschlängelte, und sobald wir das Zelt errichtet hatten, folgten wir dem Läuten einer Kirchenglocke, um uns in der dazugehörigen Bierschwemme die Kehle anzufeuchten.
    Lindenbäume,

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