Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
verwestlicht, angepaßt an den Geschmack der Kolonialherren und ihrer Nachfahren in den westlichen Industrieländern.
Einmal gingen wir zugekifft in den Zoo, was aber nichts brachte, weil einem ein einziges Tier schon genügt hätte, wenn man breit war. Und auch aus dem Wachsfigurenkabinett kam ich enttäuscht heraus. Gandhi, Churchill und die Beatles aus Wachs, na und? Wo war der Witz?
Da fand ich’s doch spannender, mit Heike in eine Peep-Show zu gehen. Wenn man einen Gulden eingeworfen hatte, öffnete sich ein kleines Sichtfenster, durch das man eine nackte Frau betrachten konnte, die sich auf einer rotierenden Scheibe fläzte. Als der Frau auffiel, daß Heike und ich gemeinsam durch eins dieser Fensterchen kuckten, kriegte sie einen Wutanfall. Zugelassen war pro Glotzkabine offenbar nur eine einzige Person.
Es gab auch Münzmonitore für kurze Sexfilme. Einen sahen wir uns an. Zwei Männer und eine Frau: Der eine ließ sich von ihr einen blasen, und der andere besorgte es ihr von hinten. Dann legte sich der eine hin, und sie stieg so breitbeinig über ihn drüber, daß man gut erkennen konnte, wie sein Schwanz in ihr verschwand, während der andere Mann um sie herumgeturnt kam und ihr seinen Schwanz in den Mund steckte.
Ende.
Hinter einem Flittervorhang fing der eigentliche Sex-Shop an, mit Pornoheften, die nach Themen sortiert waren: Teens, Housewives, Nurses, Asses, Big Tits, Pregnant, Asian, Lesbian, Animals …
Animals? Ich traute meinen Augen nicht – da trieben es Frauen mit Hunden und Eseln! Sodomie! In Multicolor! Verstießen solche Praktiken nicht gegen das Gesetz? Von Geschmacksfragen mal ganz abgesehen?
Heike war schon wieder rausgegangen, und Astrid und Hermann hatten solange draußen gewartet.
Heiß war’s. Ich bekämpfte meinen Durst mit kalter Cola, was Astrid zu der Bemerkung veranlaßte, daß das genau die falsche Methode sei. Die Beduinen würden nichts als heißen Tee trinken, und zwar um sich abzukühlen. Das hänge mit dem Hypothalamus zusammen.
Schwachsinn. Die Beduinen hatten keine Kühlschränke, das war alles.
Als ich in Bielefeld ankam, zwei Tage vor Heike, saßen Eberhard und Edith in der Küche und aßen Nudelsalat.
»Willst du auch ’n Teller?« fragte Eberhard.
»Nee, danke. Bin schon satt.« Was gar nicht stimmte, aber Nudelsalat mit Erbsen und Mayonnaise zählte nicht zu meinen Leibgerichten. Oder war es unhöflich, diese Einladung abzulehnen?
»Und wie war dein Urlaub so?«
Wieder Eberhard. Von Edith kamen nur Kaugeräusche, und es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß von mir nicht die gesamte Odyssee erwartet wurde, sondern eher was im Telegrammstil.
Ich pickte deshalb nur die Episode mit Hans-Ludwig und dem Hotel in Altdorf raus, die sich ganz gut erzählen ließ, doch mittendrin halbierte Edith meinen Zuhörerkreis, indem sie aufstand und in ihr Zimmer schlappte, und dann kriegte Eberhard einen Anruf, der mir auch die andere Hälfte des Kreises entzog.
An Post hatte ich bloß Mist. Nichts von Gabi, nichts von Julia. Und es war bereits August!
Wenn ich wenigstens was von dem Nudelsalat gegessen hätte. Ich ging ihn mir noch einmal anschauen. Nein, darauf verspürte ich nach wie vor keinen Appetit. Stattdessen briet ich mir ein paar Eier, wobei mir aufging, daß ich Eberhard und Edith ja gesagt hatte, daß ich schon satt sei. Glaubten die jetzt womöglich, daß ich gelogen hätte?
Man sollte sich nicht so viele Gedanken über die Gedanken anderer Leute machen, dachte ich beim Essen, aber dann schlappte Edith aus ihrem Zimmer zurück in die Küche und sagte, diese Eier seien für einen Kuchenteig reserviert gewesen, und noch während ich mich entschuldigte, wurde mir klar, daß eine mit vollem Mund vorgebrachte Entschuldigung für das illegitime Vertilgen dieser blöden Eier nicht uneingeschränkt überzeugend wirkte.
Morgen würde ich neue kaufen, sagte ich und wartete darauf, daß Edith wieder abzischte, damit ich ungehindert weiteressen konnte.
Echt ’ne feine Wohngemeinschaft.
Obwohl ich wochenlang im Urlaub gewesen war, hatte sich bei der AWO für mich keine Arbeit angesammelt. Unter dolce far niente stellte ich mir aber was Schöneres vor als das kräftezehrende Totschlagen der Zeit in einem schabbeligen Bürokomplex.
Und dann die Kotze aus dem Radio:
Ein bißchen Frieden, ein bißchen Sonne,
für diese Erde, auf der wir wohnen …
Totalverweigerer hätte man werden müssen.
Werktags gab es immer zwei Hoffnungsanker: Wenn Post gekommen war,
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