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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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haben!«
    »Als Kind konnte ich fliegen«, vertraute ich Simons Mutter an.
    »Ach Sie sind auch so eine!« Sie lächelte wieder ihr sehr charmantes Lächeln, das sie um Jahrzehnte verjüngte. »Meine Schwester hatte auch so viel Fantasie. Heute ist sie Abteilungsleiterin in einer Bank. Ich sage immer zu meinem Mann: Das verwächst sich noch. Ideenreichtum kann nicht schaden. Aber mein Mann ist nicht so geduldig wie ich. Ich wollte mich bei Ihnen melden, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Wir haben sehr viele Buffetbestellungen zur Zeit.«
    »Hoffentlich bekommen Sie jetzt keine Schwierigkeiten wegen des Polizeieinsatzes?«, fragte ich ein wenig zerknirscht.
    »Als Sie geklingelt haben, dachte ich, es ist die Dame vom Jugendamt. Das ist uns angekündigt worden. Aber eigentlich mit Terminvereinbarung.«
    »Dachte mir schon, dass das Folgen hat.«
    »Der Kommissar hat gesagt, er müsse das weitergeben. Aber er meinte auch, dass das vielleicht gar nicht schlecht für uns wäre. Vielleicht kriegen wir irgendeinen Zuschuss für Simon, eine Förderung, wissen Sie. Ich habe ja selbst ein schlechtes Gewissen, weil wir ständig arbeiten. Ich schreibe
Ihnen zur Sicherheit meine Handynummer auf – falls so was noch mal passiert. Ein Festnetz haben wir nicht.« Sie griff nach einem Block mit gelben Notizzetteln und einem Kugelschreiber. »Von Ihren Käsebroten schwärmt er übrigens pausenlos – oder hat es gar keine gegeben?«
    »Doch, doch!«
    »Was war das denn für ein Käse?« Sie reichte mir eine Telefonnummer.
    »Ich kann ja mal einen vorbeibringen«, sagte ich und stellte fest, dass ich gar nicht neben Simon wohnen musste. Ich konnte ihn auch von München aus besuchen!
    »Ach, das würde den Simon freuen«, strahlte seine Mutter.
    »Wo ist eigentlich Ihr Hund? Oder haben Sie gar keinen? Nein, das kann nicht sein, das hat uns der Kommissar ja gesagt, dass es wegen des Hundes ist. Der Simon wünscht sich so dringend einen Hund, aber wir dürfen hier keinen halten.«
    »Ich kann den Simon gern mal zum Gassi abholen«, sagte ich, als würde Flipper im Auto warten.
    »Das wäre eine Wucht. Wenn er das hört, der Simon, dann springt er an die Decke vor Freude! Rufen Sie mich einfach an, Frau Fischer, und wir verabreden etwas. Und nochmals vielen Dank für alles.«
    »Vielen Dank für alles!« Simons Mutter und ich fuhren herum. Wir hatten ihn beide nicht gehört. Simons Vater lehnte an der Tür, ich sah es auf den ersten Blick, denn ich hatte seine Bekanntschaft gemacht in Simons Gesicht, und das waren nicht die angenehmsten Impressionen gewesen. Seltsam, dass Simon seiner Mutter kaum ähnelte, wahrscheinlich nur im Inneren. Außen dominierte sein Vater.
    »Christian, bitte!«, sagte seine Frau und stand auf.
    Christian blockierte den Ausgang. Es wurde noch enger in der Küche. Und auch dunkel. »Vergelt’s Gott, dass Sie uns so an Scheißdreck einbrockt ham!«
    »Bitte, Christian!«
    »Wegen Eana ham mia jetzt die Bolizei am Hals und des Jugendamt und wer woaß, wos do no nachkimmt. Als tät’s uns ned scho a so glanga.«
    »Die Frau Fischer hat das doch nicht mit Absicht gemacht. Im Gegenteil! Ohne sie wäre der Simon weiß Gott wo gelandet! «
    »Sei doch staad!«
    Ich stand auf. Zwischen Sei doch staad und Hoits Mai Oide bestand nicht viel Unterschied, und vielleicht war Ersteres nur die salonfähige Variante, die Besucher zu hören bekamen.
    Ich war zwei Köpfe kleiner als dieser semmelblonde Hüne mit den blauen Augen und den weißlichen Wimpern, doch das wäre kein Problem, wie ich an seiner fehlenden Körperspannung ablesen konnte. Viel Bier, viel Fett, viel Kanapee. Ich würde höchstens aufpassen müssen, nicht abzuglitschen.
    »Mein Mann meint das nicht so. Er ist immer ein bisschen grantig, wenn er aufwacht«, versuchte seine Frau zu vermitteln.
    »Dei Mo moant des ganz genau a so!«, berichtigte er.
    Was fanden diese beiden nur aneinander? Sie klein und dünn und dunkel und norddeutsch. Er groß und dick und von der Sorte Bayer, die wie ihre eigene Karikatur herumlief.

    »Ich wollte sowieso gehen«, sagte ich.
    »Sie brauchan Eana bei uns fei nimma blickn lassn, da legn mia koan Wert drauf, seit Sie do sand, homma bloß Schwierigkeiten!«
    Ein Blickwechsel mit Simons Mutter bestätigte mir, dass unsere Übereinkunft weiterhin bestand. Ich würde einen Termin mit ihr ausmachen. Und selbst wenn Simon seinem Vater davon erzählen würde – woher wollte der wissen, ob das auch der Wahrheit entsprach

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