Alle Vögel fliegen hoch
ihn finden. Fast so unbedingt wie du. Glaubst du mir das?«
Meine Tränen tropften auf die Tischplatte.
»Magst ein Eis?«, fragte Felix.
Entgeistert starrte ich ihn an. »Eis?«
»Bei der Sinah hilft das immer.«
»Danke. Gut gemeint. Ich möchte nichts. Auch keinen Kaffee.« Ich schob die Tasse, die die Ragazza näher zu ihm denn zu mir gestellt hatte, weg.
»Dann trink ich beide«, sagte Felix. »Ich hatte heute noch nicht mal Zeit für ein Frühstück.«
»Was ist mit einer Personenbeschreibung?«, erkundigte ich mich. »Irgendjemand muss den doch gesehen haben!«
»Es haben ihn sogar drei Leute gesehen. Wir stellen gerade ein Phantombild her. Leider widersprechen sich die drei komplett. Der eine meint blond, der andere dunkel, der dritte behauptet, er hätte ein schwarzes Käppi getragen. Sicher sind sie sich nur beim Alter: zwischen dreißig und fünfzig.«
»Na super!«
»Das ist leider oft so. Sobald ich das Bild habe, zeige ich es dir.«
»Habt ihr mit dem Jäger gesprochen?«
»Wir haben alle Jäger im Umkreis des Tatorts gesprochen. Glaubst du, wir drehen Däumchen?« Er funkelte mich an. »Seit zwei Wochen arbeiten wir rund um die Uhr! Was schätzt du, wie vielen Spuren wir nachgegangen sind!«
Beschwichtigend hob ich die Hände. »Ich habe das nicht so gemeint, ich wollte dir nur einen Hinweis geben.«
»Ich habe genug von deinen Hinweisen, Franza! Warum bleibst du nicht einfach daheim? Ist das denn so schwer zu verstehen? Ich hab keine Zeit, mich ständig um dich zu kümmern! Und ich hab keine Lust, dich tot aus dem Moor zu fischen – Frau Fischer!«
»Dann tu endlich was!«
»Ich mach mehr für dich, als du dir träumen lässt! Dieser
ganze Aufwand für einen Hund! Was glaubst du, was die anderen hinter meinem Rücken reden! Die sind nicht so sicher wie du und ich, dass das mit unserem Fall zusammenhängt. «
»Ich auch nicht!«, warf ich ein.
»Aha. Dankeschön für diesen Beistand. Baut mich wirklich auf. Merci!« Wieso sah er wütend noch besser aus? Wieso fiel mir das auf. Hinter der Bar lehnte Sophia L. und verschlang ihn mit ihrem Raubtierlächeln. Ob es stimmte, dass sie sich nachts die Haut um die Augen mit Pflaster nach oben klebte für ihren Katzenblick?
»Felix, was soll ich machen? Was soll ich unter den Hochsitz legen? Hast du irgendeine Idee? Was will der Erpresser von mir?«
Sein Handy klingelte. »Tixel. Servus. Ja. Ja. Ja, so sieht es aus. Ich glaube, wir haben da in ein Wespennest gestochen, beziehungsweise in ein Vogelnest«, sagte Felix nach der Begrüßung. Meine Ohren wuchsen. Wusste er etwas von Flipper, was er mir nicht sagte? Felix stand auf, nickte mir kurz zu und zog sich in die Herrentoilette zurück. Ich nutzte die Gelegenheit und ging zu dem Symbol mit dem kleinen Mädchen. Da gab es ein Fenster zum Hof und es stand offen. Als leises Murmeln hörte ich die Stimme von Felix. Ich schob den Edelstahleimer für die Papiertaschentücher zum Fenster, stellte ihn auf den Kopf, kletterte vorsichtig nach oben und lüftete meine Ohren im Hinterhof.
»Ich habe da mal ein wenig recherchieren lassen. Nein, das mit den Vogelpräparatoren ist eine kalte Spur. Der Verdacht hat sich nicht erhärtet. Allerdings haben die Kollegen bei einer Razzia zehn Habichte in einer Gefriertruhe
entdeckt. Das nur nebenbei. Ja. Ja. Ja. Nein. Ja, das ist richtig. Ein Hundeführer hat einen Fangkorb gefunden. Leider ist er ihm nicht zuzuordnen. Nein, negativ. Keine Fingerabdrücke. Aber jede Menge Motive. Ja, komisch. Erst so wenig, dann alles auf einmal. Na, das kennt man ja. Finde ich auch. Aha. Das ist ja interessant. Sieh an, der Staatsanwalt. Ja. Ja. Okay, mach ich. Ja, das meine ich. Motive klären. In dieser Szene wimmelt es von Gruppierungen, die sich gegenseitig bekriegen. Jäger gegen Bauern, Naturschützer gegen sich selber und den Rest, Taubenzüchter gegen Falkner, Vogelfreunde gegen Taubenzüchter, alle gegen alle. Das mit den Tauben scheint mir interessant zu sein, wir haben mehrere Anzeigen und Vorfälle, zum Beispiel Giftköder – an denen übrigens auch Hunde verendet sind. In einem Fall wurden Gifteier durch einen Bach in eine Ortschaft geschwemmt und von Kindern entdeckt, zum Glück ist nichts weiter passiert, nun ja, außer acht toten Hunden. Bert hat einige Fälle von Tierquälerei ausgegraben. Greifvögel mit in den Hals gesteckten Kondomen zum Beispiel. Oder mit abgehackten Flügeln. Sehr scheußlich. Er hat mir zugesagt, das bis fünfzehn Uhr fertig zu
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