Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
als antick . Mengs stirbt und sagt auf seinem Todbette; es sey nicht antick, er habe es gemahlt. Und nun streitet alles gegen einander … Ich hab es gestern gesehen und muß sagen daß ich auch nichts schöners kenne als die Figur Ganymeds, Kopf und Rücken, das andre ist viel restaurirt» (Abb. 14).
Winckelmann beschreibt dieses Gemälde tatsächlich in seiner 1764 erschienenen berühmten Geschichte der Kunst des Altertums und kommt auch auf die mysteriösen Umstände seiner Entdeckung zu sprechen. Begeistert rühmt er die Schönheit des Bildes mit den Worten: «Der Liebling des Jupiters ist ohne Zweifel eine der allerschönsten Figuren, die aus dem Altertum übrig sind, und mit dem Gesichte desselben finde ich nichts zu vergleichen; es blüht so viel Wollust auf demselben, daß dessen ganzes Leben nichts als ein Kuß zu sein scheint.» Darüber hinaus erwähnt Winckelmann in seiner Geschichte zwei weitere Gemälde, die er für antik hielt. Sie stammten, so schreibt er, wie das erste aus dem Besitz seines französischen Freundes Diel de Marsilly, der die Stücke heimlich nach Rom geschafft hatte, um sie dort restaurieren zu lassen. Beide waren von kleinerem Format als der «Ganymed» und stellten drei tanzende weibliche Figuren sowie die Fabel von Erichthonius dar. Winckelmann schreibt auch, dass der Besitzer im August 1761 verstarb, ohne vorher die genauen Umstände ihrer Entdeckung verraten zu haben. Obwohl er fest davon überzeugt war, dass es sich um antike Gemälde handelte, stellte er jedoch einen großen qualitativen Unterschied zwischen dem Ganymed-Gemälde, das im September 1760 aufgetaucht war, und den beiden kleineren fest. 1762, als er das betreffende Kapitel schrieb, hatte er keine Zweifel, dass alle drei Gemälde authentisch waren. Noch weniger kam ihm der Verdacht, dass Mengs der Fälscher des Ganymed-Gemäldes sein könnte, obwohl er ihn für fähig hielt, ein solch großartiges Gemälde zu malen. Die Bewunderung Winckelmanns für die Meisterschaft seines Landsmanns war in der Tat grenzenlos und bewog ihn dazu, ihm seine Geschichte zu widmen und ihn an drei Stellen dieses Werks in höchsten Tönen zu loben, wobei er nicht versäumte, auf seine große Freundschaft mit ihm hinzuweisen. Diese Freundschaft hat auch im umfangreichen Briefwechsel Winckelmanns ihre Spuren hinterlassen. Er enthält einundzwanzig Briefe von Winckelmann an Mengs, jedoch nur einen Brief von Mengs an Winckelmann; alle anderen gingen verloren.
Abb. 14: Anton Raphael Mengs, Jupiter und Ganymed, 1758/59, Rom, Galleria Corsini
Warum aber spielte Mengs seinem Freund einen so üblen Streich, der diesen in der internationalen Altertumswissenschaft diskreditieren musste? Das lebenslange Schweigen von Mengs über seine Fälschung fällt umso mehr ins Gewicht, wenn man bedenkt, dass Winckelmann ihn in einem Brief eindringlich um Auskunft gebeten hatte: «Ich flehe Euch an, mir nicht zu verbergen, was man über einige antike Gemälde von Ritter Diel wissen kann, die durch Eure Hände gegangen sind und verkauft wurden. Ich habe es wirklich nötig in meiner Geschichte der Kunst.» Mengs wusste nur zu gut, dass außer dem «Ganymed» auch die beiden anderen Gemälde Fälschungen darstellten, denn sie waren von seinem Schüler Giovanni Battista Casanova ausgeführt worden. Die Antwort von Mengs, der im August 1761 als Hofmaler des spanischen Königs Karl III. nach Madrid übergesiedelt war, ist leider nicht erhalten. Da Winckelmann aber in der ersten Ausgabe seiner Geschichte von 1764 diese beiden Gemälde ebenfalls als antik einstufte, muss man schließen, dass Mengs ihm auch diese Fälschung nicht gestand. Erst auf dem Totenbett, viele Jahre nach dem gewaltsamen Tod Winckelmanns am 8. Juni 1768, beichtete Mengs, der am 26. Juni 1779 in Rom starb, seiner Schwester, der Autor der Fälschung zu sein. Dieses Geständnis wurde von seinem Freund, dem spanischen Botschafter in Rom, José Nicolas de Azara, publik gemacht, der 1783 eine Sammlung kunsttheoretischer Schriften von Mengs mit einer ausführlichen biographischen Einleitung veröffentlichte.
Diesem zutiefst unloyalen Verhalten gegenüber Winckelmann, den Mengs dennoch bis zuletzt als seinen engen Freund bezeichnete, muss ein Motiv zugrunde liegen, das nicht eingestanden werden konnte. Die geheimnisvollen Umstände der Antikenfälschung hat Anlass zu vielerlei Spekulationen gegeben, die allerdings immer angezweifelt und zurückgewiesen worden sind. Nie ist man jedoch auf den
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