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Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Titel: Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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anderen, es gab für niemanden Geheimnisse im römischen Volk. Die Männer nahmen an diesem Geschwätz nicht teil, es war ein exklusives Recht ihrer Frauen, all jener Annunziata, Rosa, Dinda, Nanna oder wie sie hießen. Sie trugen schwere Mäntel aus Wolle und an den Füßen zerschlissene Schuhe, wie Gogol einem russischen Freund am 5. Februar 1839, als wieder einmal Karneval gefeiert wurde, erklärte. Diesem höchsten Fest des römischen Volks widmete Gogol am 2. Februar 1838 einen ganzen Brief, in dem er mit Brio und großer innerer Anteilnahme dessen Verlauf beschreibt: Menschen jedes gesellschaftlichen Standes spielten hier ihren Part, trugen die unwahrscheinlichsten Kostüme oder begnügten sich damit, in Ermangelung eines solchen das Gesicht mit Asche zu schwärzen. Ihre Waffe war vor allem das Mehl, mit dem sie sich rücksichtslos und ohne zu sparen bestreuten. Niemand beklagte sich darüber, auch wenn das Mehl ihn von Kopf bis Fuß bedeckte. Ein Triumph von Freiheit und Gleichheit, was auch für die Liebesbeziehungen galt, die sich dabei zu entwickeln pflegten. Auch in der Erzählung Rom sind dem römischen Karneval viele Seiten gewidmet, die ebenfalls auf persönlichen Beobachtungen des Dichters beruhen.

    Abb. 21: Ziegen auf dem Trajansforum in Rom
    Rom ist das Epos des römischen Volks – des Volks, nicht des Pöbels, wie Gogol unterstreicht –, denn nur dieses hat ein Bewusstsein seiner Würde, das dem Volk in allen anderen italienischen Städten fehlt. Allein in Rom ist dies möglich, weil nur hier das Volk «in seiner Natur die direkt aus der Zeit der ersten Quiriten ererbten Prinzipien» bewahrte. Seine ursprüngliche Reinheit ist im Lauf der Jahrhunderte von den vielen Zuwanderern nicht kontaminiert worden und ebenso wenig von der konfusen Masse von Gesetzen, die von den päpstlichen Gewalten erlassen wurden. Das römische Volk blieb unberührt vom unheilvollen Einfluss der kirchlichen Regierung. Gogol greift dann wieder die Legende von den Bewohnern Trasteveres auf, die sich für Nachkommen der alten Römer hielten. Niemand aus diesem Stadtviertel sollte je einen Mann oder eine Frau geheiratet haben, der oder die nicht hier geboren war, und nicht einmal jemanden, der aus einem anderen Viertel Roms kam. Diese Legende war, wie auch Gogol bekannt war, im 18. Jahrhundert entstanden.
    In einem Brief vom 16. Juni 1779 fragte der Mailänder Aufklärer Pietro Verri seinen Bruder Alessandro, der seit längerer Zeit in Rom wohnte, ob es wahr sei, dass die Leute aus Trastevere immer nur untereinander heirateten, weil sie sich für die einzigen direkten Nachkommen der alten Römer hielten. Alessandro antwortete am 21. Juli und dementierte entschieden, dass die Einwohner von Trastevere von den alten Römern abstammten, erklärte aber auch, dass nicht nur diese, sondern alle Römer diesen Glauben teilten, «ganz besonders in Hinsicht auf die Frauen, die einen Ausdruck von stolzer Schönheit im Gesicht tragen. Die Männer haben eine heftige Neigung zur Rache: Es liegt ihnen nichts daran, mit ihrem Benehmen zu gefallen oder nicht, sie streben vielmehr heftig danach, gefürchtet zu werden.» Die Legende von der antiken Abstammung der modernen Römer war in der Stadt tief verwurzelt. Auch Karl Philipp Moritz erwähnt sie in seinen Berichten aus Italien, und ebenso kommt ein zweiter deutscher Reisender, Johann Wilhelm von Archenholz, in seinem 1785 erschienenen Reiseführer auf sie zu sprechen. Die Trasteveriner, schrieb er, «behaupten, das alte römische Blut unvermischt in ihren Familien erhalten zu haben; daher auch die Heiraten zwischen ihnen und den anderen Römern noch heutzutage sehr selten sind. Die Einwohner dieses Quartiers sind durchaus blutarm, und dennoch trägt ein armes Mädchen keine Bedenken, die Hand eines Mannes aus einem anderen Quartier auszuschlagen. Indessen werden sie nicht oft in diese Versuchung gesetzt, weil ihre groben Sitten und hässliche Bildung, die den Bewohnern dieser Region besonders eigen ist, schon abschreckend genug sind. Zu ihrem Charakter gehört auch eine seltene Unerschrockenheit, die bei Männern und Weibern herrscht; daher auch die Messer bei den geringsten Vorfällen gezogen werden. Die Sbirren wagen sich in dieses Quartier sehr ungern, und wenn es Amts halber geschehen muss, so brauchen sie alle nur mögliche Vorsicht. Die Legionen des Augustus hatten hier ihr Quartier, und über dem war dieser Teil der Stadt, so wie jetzt, von armen Leuten bewohnt.» Archenholz

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