Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
zusammengewürfelte Schar, die, von Rom angezogen, herbeiströmt. Sie füllen die Osterien, trinken und essen mit dem Volk.» Es gab in den Dörfern in der Umgebung auch Bauernpriester, die mit eigenen Händen den Acker bestellten, weil sie keine anderen Einkünfte hatten. Das Messelesen brachte ihnen zu wenig ein, um davon leben zu können.
Aber Rom als Hauptstadt des Königreichs Italien? Zola durchwanderte es eifrig kreuz und quer, die alten Viertel wie die neuen, die ihr Entstehen einer frenetischen Bodenspekulation verdankten, mit welcher er sich ausführlich befasst. Doch eins nach dem anderen: Die alten Viertel waren so armselig, wie sie es immer gewesen waren, in den Gassen zum Trocknen aufgehängte Wäsche, schlecht gekleidete Frauen an der Tür von kleinen Häusern, winzige Werkstätten mit Handwerkern bei der Arbeit, Armut überall. Und all dies Elend, obwohl die Regierung trotz aller Sorge um einen ausgeglichenen Haushalt, der dennoch immer im Defizit war, große öffentliche Bauvorhaben auf den Weg gebracht hatte, um die Gebäude für die Ministerien, die Zentralbank, das oberste Gericht (Abb. 25) und vor allem die großen Mauern zur Regulierung des Tibers zu errichten. Die Überschwemmungen des Flusses waren eine der großen Plagen der Stadt unter der päpstlichen Regierung gewesen. Ganze Stadtviertel, angefangen von Trastevere, gerieten unter Wasser, wenn der Fluss anschwoll. Die Tiberdämme sind das Werk von Alfredo Baccarini, Minister für Öffentliche Arbeiten von 1879 bis 1883, dem es gelang, sich vom Parlament riesige Summen bewilligen zu lassen, um die Hauptstadt vor den häufigen, oft verheerenden Überschwemmungen zu schützen. Es waren viele Jahre nötig, um die von Baccarini geplanten Arbeiten zu Ende zu führen. Als Zola nach Rom kam, fand er die Mauern zum größten Teil fertig vor und in perfekter Effizienz; auf den letzten Baustellen war man nur noch damit beschäftigt, die Uferwege zu befestigen. Der Historiker des mittelalterlichen Roms, Ferdinand Gregorovius, der den größten Teil seines Lebens in Rom verbrachte, widmete 1876 der Geschichte der Überschwemmungen und der Lösung dieses Problems durch den Bau der neuen Tibermauern, die vor seinen Augen entstanden, einen seiner schönsten Aufsätze. Die Straßen auf den Dämmen, die «Lungotevere» mit ihren Platanen, wie auch die Wege unten am Fluss, die bei niedrigem Wasserstand immer noch zu suggestiven Spaziergängen einladen, sind ein Werk der Regierungen des neuen Einheitsstaats, nicht eines der Päpste, unter denen ungeheure Mittel in die Erbauung von Villen für die Kardinäle gesteckt wurden, die gewöhnlich deren Verwandten zufielen.
Abb. 25: Rom, Hauptfassade des Palazzo di Giustizia
Eine dieser Villen, die von Goethe so sehr geliebte Villa Ludovisi, wurde Opfer einer der verheerendsten Bodenspekulationen jener Zeit, durch die sie von der Karte Roms verschwand. Verantwortlich dafür war der Eigentümer selbst, Luigi Boncompagni Ludovisi, Fürst von Piombino, der die Villa für sechs Millionen Lire an eine Finanzgesellschaft verkaufte. Dazu Zola: «Ergriffen vom Fieber der Spekulation, kaufte der Fürst jedoch von der Gesellschaft Teile seines alten Grundbesitzes zurück, spielte, baute, geriet schließlich ins Getriebe... Heute hat er nicht nur seine sechs Millionen verloren, auch das Vermögen seines Sohns, des Herzogs von Sora, ist verschlungen. Der Palast der Villa Ludovisi steht zum Verkauf.» Ähnlich erging es dem Fürsten Paolo Borghese, der auch in das Räderwerk der Spekulation geriet und ungeheure Summen verlor. Er vertraute den improvisierten Immobiliengesellschaften, die ihn in den Ruin trieben. Die beiden Aristokraten gehörten zum alten römischen Adel, deren Familien ursprünglich aus Bologna beziehungsweise aus Siena stammten. Beide waren in der Vergangenheit durch die generösen Zuwendungen der Päpste aus ihren Reihen zu Reichtum gekommen, durch Gregor XIII. und Gregor XV. die Boncompagni Ludovisi, durch Paul V. die Borghese. Zola verschaffte sich detaillierte Informationen über die nach der Vereinigung mit Italien ausgebrochene Bodenspekulation, sodass er in der Lage war, ein genaues Bild dieses Phänomens zu zeichnen. So erfuhr er, dass sogar Papst Leo XIII. sich an den Spekulationen beteiligte: «Sehr geizig, wie man sagt, investierte er schließlich doch auf den Rat seiner Konsulenten beträchtliche Summen in die Bauvorhaben von Rom.» Doch handelte es sich um Fehlspekulationen, diktiert vom
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