Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Pünktchen fröhlich zur Kirche gehen könnte. Aber mit solchen Plänen hatte es ein Ende. Es war auch ihr eigener Hochzeitstag. Ach, wie wenig hatte er ein solches Ende nach einem solchen Jahre erwartet!
    Der Fuhrmann hatte angenommen, daß ihm Tackleton früh einen Besuch abstatten würde, und er hatte recht damit. Er war noch nicht lange vor seiner Tür auf und ab gegangen, als er den Spielzeughändler in seiner Kutsche die Straße entlangkommen sah. Als sich die Kutsche näherte, bemerkte er, daß Tackleton für seine Hochzeit herausgeputzt war und daß er den Kopf des Pferdes mit Blumen und Schleifen geschmückt hatte.
    Das Pferd wirkte eher wie ein Bräutigam als Tackleton, dessen halbgeschlossenes Auge einen noch unangenehmeren Ausdruck hatte als sonst. Doch der Fuhrmann nahm wenig Notiz davon. Seine Gedanken waren anderweitig beschäftigt.
    „John Peerybingle!“ sagte Tackleton mit einem Anflug von Beileidsbezeigung. „Mein lieber Freund, wie fühlen Sie sich heute morgen?“
    „Ich hab eine traurige Nacht hinter mir, Mr. Tackleton“, erwiderte der Fuhrmann und schüttelte den Kopf, „denn meine Gedanken sind ziemlich durcheinandergeraten. Aber das ist nun vorbei! Haben Sie ’ne halbe Stunde oder so Zeit für mich zu einem vertraulichen Gespräch?“
    „Ich kam mit dieser Absicht“, erwiderte Tackleton und stieg aus.
    „Kümmern Sie sich nicht um das Pferd. Das wird mit den Zügeln am Pfahl ganz ruhig stehen, wenn Sie ihm ein bißchen Heu geben.“
    Als es der Fuhrmann aus seinem Stall geholt und ihm vorgesetzt hatte, gingen sie ins Haus.
    „Sie heiraten erst mittags, nicht wahr?“ fragte er.
    „Ja“, antwortete Tackleton. „Habe eine Menge Zeit.“
    Als sie die Küche betraten, klopfte Tilly Slowboy an die Tür des Fremden, die nur einige Schritte entfernt war. Eins ihrer geröteten Augen (denn Tilly hatte die ganze lange Nacht geweint, weil ihre Herrin weinte) hielt sie ans Schlüsselloch, und sie klopfte sehr laut und schien sich zu fürchten.
    „Bitte, ich kann keinen nich hörn“, sagte Tilly, sich umblickend. „Hoffentlich is er nich weg und gestorben, stellen Sie sich vor!“
    Diesen menschenfreundlichen Wunsch unterstrich Miss Slowboy mit erneutem Pochen und Fußtritten an die Tür, was jedoch zu keinem Ergebnis führte.
    „Soll ich mal versuchen?“ fragte Tackleton. „Es ist seltsam.“
    Der Fuhrmann, der sein Gesicht von der Tür abgewandt hatte, bedeutete ihm, es zu versuchen, wenn er wolle.
    So versuchte es also Tackleton zu Tilly Slowboys Erleichterung, und auch er pochte und trat mit den Füßen dagegen, und auch er erhielt keinerlei Antwort.
    Aber ihm kam der Gedanke, die Türklinke auszuprobieren, und als sie sich leicht öffnen ließ, spähte er hinein, schaute hinein, ging hinein und kam bald wieder herausgerannt.
    „John Peerybingle“, sagte ihm Tackleton ins Ohr. „Ich hoffe, da ist nichts – nichts Unbesonnenes in der Nacht vorgefallen?“
    Der Fuhrmann fuhr rasch zu ihm herum.
    „Weil er weg ist“, sagte Tackleton, „und das Fenster offensteht. Ich sehe keine Spuren. Natürlich liegt das Zimmer mit dem Garten fast auf einer Ebene, aber ich fürchtete, da wäre ein – ein Handgemenge gewesen. Hä?“
    Das ausdrucksvolle Auge schloß er fast vollständig, so streng sah er ihn an. Und er musterte ihn, als ob er die Wahrheit aus ihm herausquetschen wollte.
    „Seien Sie unbesorgt“, sagte der Fuhrmann. „Er ging gestern abend in diesen Raum, ohne daß ich ihm mit Worten oder Taten etwas zuleide getan hab, und seitdem hat ihn keiner betreten. Er ist aus freien Stücken weggegangen. Ich würde froh zum Haus hinaus und von Tür zu Tür ziehen, um mein Brot zu erbetteln, wenn ich damit das Vergangene ändern könnte, als wäre er nie hergekommen. Aber er ist gekommen und weggegangen. Und ich will damit nichts mehr zu tun haben!“
    „Oh! Nun, ich finde, er ist ziemlich gut davongekommen“, sagte Tackleton und nahm sich einen Stuhl.
    Diese spöttische Bemerkung war auf den Fuhrmann gemünzt, der sich ebenfalls hinsetzte und sein Gesicht eine kurze Zeit lang mit der Hand bedeckte, ehe er fortfuhr: „Gestern abend haben Sie mir meine Frau gezeigt“, sagte er endlich, „meine Frau, die ich liebe, wie sie heimlich …“
    „Und zärtlich“, spielte Tackleton an.
    „… die Verkleidung dieses Mannes stillschweigend duldete und ihm die Möglichkeit gab, sie allein zu treffen. Ich glaube, es gibt keinen Anblick, den ich viel lieber nicht gesehn hätte, wie diesen.

Weitere Kostenlose Bücher