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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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lebendig in dir. Der Vater, den ich so liebte; der Vater, den ich nicht genug liebte und nie kannte; der Wohltäter, den ich zuerst zu verehren und lieben begann, weil er solches Mitleid mit mir hatte. Alle sind in dir lebendig. Für mich ist nichts tot. Die Seele all dessen, was mir äußerst teuer war, lebt hier – in dem erschöpften Gesicht und dem grauen Haupt. Und ich bin nicht mehr blind, Vater.“
    Pünktchens Aufmerksamkeit hatte sich während dieser Unterhaltung völlig auf den Vater und seine Tochter gerichtet, doch als sie nun zu dem kleinen Heumacher auf der maurischen Wiese hinschaute, sah sie, daß die Uhr in wenigen Minuten schlagen mußte, und wurde sofort nervös und aufgeregt.
    „Vater“, sagte Bertha zögernd. „Mary.“
    „Ja, mein Liebes“, erwiderte Caleb. „Hier is sie.“
    „Bei ihr hat sich nichts geändert. Du hast mir doch nie etwas von ihr erzählt, was nich der Wahrheit entsprach?“
    „Ich fürchte, ich hätte es getan, mein Liebes“, antwortete Caleb, „wenn ich sie hätte besser machen können, als sie war. Aber ich hätte sie zum Schlechteren verändern müssen, wenn ich sie überhaupt ändern wollte. Nichts könnte sie verbessern, Bertha.“
    Die Zuversicht des blinden Mädchens, als es die Frage stellte, ihre Freude und der Stolz bei der Antwort und ihre neuerliche Umarmung von Pünktchen mit anzusehen war bezaubernd.
    „Trotzdem können mehr Veränderungen eintreten, als ihr euch vorstellen könnt, meine Liebe“, sagte Pünktchen. „Veränderungen zum Besseren hin, meine ich. Veränderungen zur großen Freude einiger von uns. Ihr dürft nicht allzu erstaunt sein, wenn solche vor sich gehen und euch betreffen. Sind da Wagenräder auf der Straße? Du hast ein gutes Gehör, Bertha. Sind das Wagenräder?“
    „Ja. Sie kommen schnell näher.“
    „Ich – ich weiß, daß du ein gutes Gehör hast“, sagte Pünktchen, legte die Hand aufs Herz und sprach offensichtlich, so schnell sie konnte, weiter, um ihr Herzklopfen zu verbergen, „weil ich das oft festgestellt habe und weil du gestern abend so schnell diesen fremden Schritt bemerkt hast. Warum du jedoch gesagt hast, wie ich mich sehr gut erinnere, Bertha, ‚Was ist das für ein Schritt?‘ und warum du stärker darauf geachtet hast als auf irgendeinen anderen, weiß ich nicht. Doch wie ich eben sagte, es gehen große Veränderungen in der Welt vor sich, und wir können nicht besser daran tun, als uns auf einiges gefaßt zu machen.“
    Caleb war gespannt, was dies bedeutete; denn er spürte, daß sie ihn ebenso ansprach wie seine Tochter. Erstaunt sah er, wie beunruhigt und erregt sie war; sie konnte kaum atmen und hielt sich an einem Stuhl fest, um nicht umzufallen.
    „Das sind tatsächlich Wagenräder!“ keuchte sie. „Sie kommen näher. Näher. Sehr nahe. Und jetzt hört man sie am Gartentor halten. Und jetzt hört man draußen vor der Tür einen Schritt – ist es nicht derselbe Schritt, Bertha? – und jetzt …“
    Sie stieß einen heftigen Schrei unbändiger Freude aus, rannte zu Caleb und hielt ihm die Augen zu. Da stürmte ein junger Mann ins Zimmer, warf den Hut in die Luft und stürzte sich auf sie.
    „Ist es vorüber?“ rief Pünktchen.
    „Ja.“
    „Glücklich vorüber?“
    „Ja.“
    „Erinnerst du dich an die Stimme, lieber Caleb? Hast du je so eine wie diese gehört?“ rief Pünktchen.
    „Wenn mein Junge im goldnen Südamerika noch leben würde …“, sagte Caleb zitternd.
    „Er lebt!“ schrie Pünktchen, nahm ihre Hände von seinen Augen und schlug sie vor Begeisterung zusammen. „Schaut ihn euch an! Seht, wie er vor euch steht, gesund und kräftig! Dein lieber Sohn! Dein lieber lebender, dich liebender Bruder, Bertha!“
    Alle Ehre dem kleinen Geschöpf für ihr Entzücken! Alle Ehre ihren Tränen und ihrem Lachen, als die drei sich in den Armen lagen! Alle Ehre der Herzlichkeit, mit der sie dem braungebrannten Matrosen mit dem dunklen, langen Haar entgegenging und dem sie ihren rosigen kleinen Mund nicht entzog, sondern ihm gestattete, sie offen zu küssen und sie an sein springendes Herz zu drücken!
    Und Ehre auch dem Kuckuck – warum nicht? – dafür, daß er wie ein Einbrecher aus der Falltür des maurischen Palastes herausstürzte und zwölfmal den Schluckauf bei der versammelten Gesellschaft hatte, als wäre er vor Freude betrunken.
    Der eintretende Fuhrmann wich zurück. Das kann man auch verstehen, wenn er sich in solch einer guten Gesellschaft befand.
    „Sieh mal, John!“

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