Alle Weihnachtserzählungen
Ich selbst und der verstorbene Craggs bestellten hier manchmal ein Schnitzel, und es wurde uns angenehm serviert. Mr. Craggs, Sir“, sagte Snitchey, schloß einen Augenblick fest die Augen und öffnete sie dann wieder, „wurde zu schnell von der Liste der Lebenden gestrichen.“
„Der Himmel möge mir verzeihen, daß ich Ihnen nicht mein Beileid ausgesprochen habe“, entgegnete Michael Warden und strich sich mit der Hand über die Stirn, „aber im Moment bin ich wie im Traum. Ich scheine meinen Verstand nicht beisammen zu haben. Mr. Craggs – ja – es tut mir sehr leid, daß wir Mr. Craggs verloren haben.“ Er sah aber Clemency an, als er dies sagte, und schien mit Ben Mitleid zu haben, der sie tröstete.
„Mr. Craggs, Sir“, bemerkte Snitchey, „fand es nicht so leicht, muß ich bedauerlicherweise sagen, das Leben zu bewältigen, wie seine Theorie behauptete, sonst würde er noch unter uns weilen. Für mich ist er ein großer Verlust. Er war mein rechter Arm, mein rechtes Bein, mein rechtes Ohr, das war Mr. Craggs. Ohne ihn bin ich wie gelähmt. Er vermachte seinen Geschäftsanteil Mrs. Craggs, ihren Testamentsvollstreckern, Nachlaß Verwaltern und Rechtsnachfolgern. Sein Name bleibt bis jetzt in der Firma. Auf kindische Art versuche ich manchmal, so zu tun, als lebte er noch. Sie haben vielleicht bemerkt, daß ich für mich selbst und den verstorbenen Craggs spreche, Sir – verstorben“, sagte der weichherzige Anwalt und wedelte mit dem Taschentuch.
Michael Warden, der noch immer Clemency beobachtete, wandte sich Mr. Snitchey zu, als dieser zu sprechen aufhörte, und flüsterte ihm ins Ohr.
„Ach, das arme Ding!“ sagte Snitchey kopfschüttelnd. „Ja, sie war Marion immer sehr treu. Sie hat sie immer sehr gern gehabt. Hübsche Marion. Arme Marion! Kopf hoch, Frau, Sie sind doch jetzt verheiratet, Clemency.“
Clemency seufzte nur und schüttelte den Kopf.
„Nur ruhig! Warten Sie bis morgen!“ sagte der Anwalt freundlich.
Das zu tun, versprach Clemency, während sie seine hingehaltene Hand schüttelte; und Britain, der beim Anblick seiner verzweifelten Frau furchtbar niedergeschlagen war (wie die Firma, die den Kopf hängenließ), sagte, das sei richtig; und Mr. Snitchey und Michael Warden gingen die Treppe hinauf, und dort waren sie bald in eine Unterhaltung vertieft, die so vorsichtig geführt wurde, daß kein Gemurmel zu hören war bei all dem Geklapper der Teller und Schüsseln, dem Zischen der Pfanne, dem Brodeln in den Kasserollen, dem tiefen, monotonen Geräusch des Bratenwenders – hin und wieder mit einem furchtbaren Klicken, als ob er an seinem Kopf in einem Schwindelanfall einen tödlichen Unfall erlitten hätte – und all den anderen Vorbereitungen für ihr Essen in der Küche.
Der nächste Tag war strahlend und friedlich und die Herbstfärbung nirgends schöner anzusehen als vom stillen Obstgarten am Hause des Doktors aus. Der Schnee vieler Winternächte war vom Boden weggeschmolzen, die verwelkten Blätter vieler Sommer hatten dort geraschelt, seit sie geflohen war. Die Veranda mit Geißblatt war wieder grün, die Bäume warfen reichlich wechselnde Schatten auf den Rasen, die Landschaft war heiter und ruhig wie stets, doch wo war sie!
Nicht da. Nicht da. Sie wäre jetzt ein ungewohnterer Anblick in ihrem alten Zuhause gewesen, als es zuerst ohne sie gewesen war. Doch eine Dame saß am vertrauten Platz, aus deren Herzen sie nie entschwunden war; in deren aufrichtiger Erinnerung sie unverändert, jugendlich und vor Erwartung und Hoffnung strahlend lebte; in deren Liebe – es war jetzt die einer Mutter, denn zu ihren Füßen spielte eine zärtlich geliebte, kleine Tochter – sie keinen Nebenbuhler, keinen Nachfolger hatte; auf deren zärtlichen Lippen ihr Name schwebte.
Der Geist des verlorenen Mädchens sprach aus jenen Augen. Jene Augen von Grace, ihrer Schwester, die mit ihrem Mann im Obstgarten saß. Es war ihr Hochzeitstag, sein und Marions Geburtstag.
Er war kein bedeutender Mann geworden, er war nicht reich geworden, er hatte die Erlebnisse und Freunde seiner Jugend nicht vergessen, er hatte keine der früheren Vorhersagen des Doktors erfüllt. Doch bei seinen nützlichen, geduldigen, ungenannten Besuchen bei den Armen und bei seinen Wachen an Krankenbetten; bei seiner täglichen Bekanntschaft mit der Güte und Tugend, die die Seitenwege dieser Welt mit Blumen bedecken und nicht von den schweren Schritten der Armut niedergetreten werden, sondern auf ihrem Pfad
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