Alle Weihnachtserzählungen
Rücken, (der nach oben gekehrt war), und schaukelte sie mit seinem Fuß.
„Bist du naß, Dolphus, mein Junge?“ fragte sein Vater. „Komm, setz dich auf meinen Stuhl und trockne dich ab.“
„Nein, danke, Vater“, sagte Adolphus und strich mit den Händen an sich herunter. „Ich glaub, ich bin nich sehr naß. Leuchtet mein Gesicht sehr, Vater?“
„Nun, es sieht wächsern aus, mein Junge“, erwiderte Mr. Tetterby.
„Das macht das Wetter, Vater“, sagte Adolphus und rieb sich die Wangen mit dem abgetragenen Ärmel seiner Jacke. „Durch Regen und Hagel, Wind, Schnee und Nebel kriegt mein Gesicht manchmal ’n Ausschlag. Und es glänzt, oh, nich wahr!“
Master Adolphus war ebenfalls in der Zeitungsbranche tätig, wobei er bei einer blühenderen Firma als der seines Vaters und Co. angestellt war, um Zeitungen auf einem Bahnhof zu verkaufen, wo seine rundliche, kleine Person – die wie Amor in schäbiger Verkleidung aussah – und seine schrille, schwache Stimme (er war nicht viel älter als zehn Jahre) ebenso bekannt waren wie das heisere Schnaufen der ein- und ausfahrenden Lokomotiven. Bei dieser zeitigen Beziehung zum Verkehr hätte er in seiner Jugendlichkeit um ein harmloses Betätigungsfeld verlegen sein können, wenn er nicht die glückliche Entdeckung gemacht hätte, wie er sich selbst unterhalten und den langen Tag in Etappen teilen konnte, ohne das Geschäft zu vernachlässigen. Diese geniale Erfindung, die wie die meisten Entdeckungen wegen ihrer Einfachheit bemerkenswert war, bestand darin, den Vokal des Wortes „Blatt“ abzuwandeln und an seine Stelle zu den verschiedenen Tageszeiten die anderen Vokale in alphabetischer Reihenfolge zu setzen. So ging er im Winter vor Tagesanbruch mit seiner Mütze und dem Umhang aus Wachstuch und seinem großen Halstuch auf und ab und durchschnitt die dicke Luft mit seinem Ruf „Morgenblatt!“, der sich etwa eine Stunde vor Mittag in „Morgenblett!“ verwandelte, gegen zwei Uhr zu „Morgenblitt!“ wurde, ein paar Stunden später in „Morgenblott!“ abgewandelt wurde und zur großen Erleichterung und Zufriedenheit des jungen Mannes mit der sinkenden Sonne in „Abendblutt!“ überging.
Mrs. Tetterby, seine damenhafte Mutter, die, wie bereits gesagt, mit zurückgeworfenem Häubchen und Schal dagesessen und ihren Ehering gedankenvoll am Finger gedreht hatte, erhob sich nun, zog ihren Ausgehstaat aus und begann, den Abendbrottisch zu decken.
„Ach, du meine Güte, du meine Güte!“ sagte Mrs. Tetterby. „So is der Lauf der Welt!“
„Was is der Lauf der Welt, meine Liebe?“ fragte Mr. Tetterby und blickte sich um.
„Ach, nichts!“ sagte Mrs. Tetterby.
Mr. Tetterby hob die Augenbrauen, faltete seine Zeitung von neuem, ließ seine Blicke auf und ab und kreuz und quer gleiten, doch seine Gedanken schweiften ab, und er las sie nicht.
Zur gleichen Zeit deckte Mrs. Tetterby den Tisch, aber eher, als wollte sie den Tisch bestrafen als das Abendbrot für die Familie vorbereiten. Sie traf ihn unnötig hart mit den Messern und Gabeln, schlug ihn mit den Tellern, brachte ihm Dellen mit dem Salzstreuer bei und ließ das Brot schwer auf ihn herabfallen.
„Ach, du meine Güte, du meine Güte!“ sagte Mrs. Tetterby. „So is der Lauf der Welt!“
„Mein Schätzchen“, erwiderte ihr Mann und blickte sich erneut um, „du sagtest das schon mal. Was is der Lauf der Welt?“
„Ach, nichts!“ sagte Mrs. Tetterby.
„Sophia!“ protestierte ihr Mann, „das hast du auch schon mal gesagt.“
„Nun, ich werd’s noch mal sagen, wenn du willst“, entgegnete Mrs. Tetterby. „Ach, nichts – da! Und noch mal, wenn du willst: ach, nichts – da! Und noch mal, wenn du willst: ach, nichts – nun also!“
Mr. Tetterby richtete den Blick auf die Frau seines Herzens und sagte, leicht verwundert:
„Meine kleine Frau, was hat dich denn so aus der Fassung gebracht?“
„Ich weiß wirklich nich“, erwiderte sie. „Frag mich nich. Wer hat überhaupt gesagt, daß ich aus der Fassung bin? Ich nich.“
Mr. Tetterby gab das Studium der Zeitung als ein hoffnungsloses Unterfangen auf, machte langsam eine Runde durchs Zimmer, wobei er die Hände auf dem Rücken hatte und die Schultern hochzog – seine Gangart entsprach vollkommen seinem resignierenden Verhalten –, und wandte sich an seine beiden ältesten Sprößlinge:
„Dein Essen is gleich fertig, Dolphus“, sagte Mr. Tetterby. „Deine Mutter war bei der Nässe unterwegs, um es in der Garküche zu
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