Alle Weihnachtserzählungen
herein kam der kleine Bob, der Vater, dem mindestens drei Fuß seines Wollschals, die Fransen nicht gerechnet, vom Hals herabhingen. Seine fadenscheinige Kleidung war gestopft und gebürstet worden, damit sie feiertäglich aussähe. Auf seinen Schultern saß der kleine Tim. Armer kleiner Tim! Er trug eine winzige Krücke, und seine Gliedmaßen wurden von Eisenschienen gestützt.
„Nun, wo ist denn unsere Martha?“ rief Bob Cratchit und schaute sich um.
„Kommt nicht!“ sagte Mrs. Cratchit.
„Kommt nicht?“ sagte Bob, und seine gehobene Stimmung sank plötzlich, denn er war den ganzen Weg von der Kirche her Tims Vollblutpferd gewesen und nach Hause getrabt. „Kommt nicht zu Weihnachten?“
Martha mochte ihn nicht so enttäuscht sehen, auch wenn es nur ein Scherz war. Darum kam sie vorzeitig hinter der Kammertür hervor und rannte in seine Arme, während die beiden jüngeren Cratchits den kleinen Tim drängten und ihn ins Waschhaus trugen, damit er den Pudding im Kessel singen hörte.
„Und wie hat sich Tim benommen?“ fragte Mrs. Cratchit, nachdem sie Bob wegen seiner Leichtgläubigkeit aufgezogen und Bob seine Tochter nach Herzenslust liebkost hatte.
„Sehr brav und besser“, sagte Bob. „Irgendwie wird er nachdenklich, weil er so viel allein sitzt, und denkt sich die seltsamsten Sachen aus, die man je gehört hat. Auf dem Heimweg sagte er zu mir, er hoffe, daß ihn die Leute in der Kirche gesehen haben, weil er ein Krüppel ist und es für sie gut sei, sich am Weihnachtstag an den zu erinnern, der Lahme gehen und Blinde sehen gemacht hat.“
Bobs Stimme zitterte, als er ihnen das erzählte, und zitterte noch mehr, als er sagte, daß der kleine Tim allmählich stark und kräftig werde.
Seine kleine Krücke war auf dem Flur zu hören, und noch ehe ein weiteres Wort gesprochen wurde, kam Tim zurück und wurde von den Geschwistern zu seinem Schemel vor dem Fenster geleitet, und während Bob sich die Ärmel hochkrempelte – als ob sie, armer Kerl!, noch schäbiger werden könnten – und in einem Krug ein heißes Getränk aus Gin und Zitronen zusammenbraute, es eifrig umrührte und zum Aufkochen auf den Kaminsatz stellte, gingen Master Peter und die beiden überall zu findenden Cratchits die Gans holen, mit der sie bald in feierlichem Zug zurückkehrten.
Es entstand ein solcher Tumult, daß man hätte meinen können, eine Gans sei der seltenste aller Vögel, ein gefiedertes Wunder, gegen das ein schwarzer Schwan eine Selbstverständlichkeit sei – und in Wirklichkeit war sie auch so etwas in diesem Haus. Mrs. Cratchit machte die Bratensoße (die in einem Töpfchen vorher zubereitet worden war) kochend heiß; Master Peter stampfte die Kartoffeln mit unglaublicher Kraft; Miss Belinda süßte die Apfelsoße; Martha wischte die angewärmten Teller ab; Bob setzte den kleinen Tim neben sich an ein Eckchen des Tisches; die beiden jüngeren Cratchits stellten für jeden einen Stuhl hin, wobei sie sich selbst nicht vergaßen und auf ihren Posten Wache bezogen; sie stopften sich Löffel in den Mund, damit sie nicht nach der Gans schreien konnten, bevor sie beim Austeilen an die Reihe kamen. Endlich wurde aufgetragen und das Tischgebet gesprochen. Ihm folgte eine atemlose Pause, als Mrs. Cratchit bedächtig am Tranchiermesser entlangsah und sich anschickte, es in die Gänsebrust zu stoßen. Aber als sie es tat und die lang erwartete Füllung hervorquoll, entstand rings um die Tafel ein Gemurmel des Entzückens, und selbst der kleine Tim hieb, von den beiden jüngeren Cratchits angesteckt, mit dem Griff seines Messers auf den Tisch und rief ein schwaches Hurra.
Noch nie hatte es solch eine Gans gegeben! Bob sagte, er glaube nicht, daß jemals so eine Gans gebraten worden sei. Ihre Zartheit und Schmackhaftigkeit, ihre Größe und Preiswertigkeit waren der Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Durch Apfelsoße und Stampfkartoffeln ergänzt, ergab sie eine ausreichende Mahlzeit für die ganze Familie; sie hatten sie, wie Mrs. Cratchit entzückt feststellte (als sie die Andeutung eines Knochens auf der Platte liegen sah), noch nicht einmal vollständig aufgegessen! Doch jeder hatte genug bekommen, und besonders die beiden jüngeren Cratchits steckten bis über die Ohren in Salbeiblättern und Zwiebeln. Doch nun, während Miss Belinda die Teller auswechselte, verließ Mrs. Cratchit allein das Zimmer – zu aufgeregt, Zeugen zu ertragen –, um den Pudding hereinzuholen.
Angenommen, er wäre noch nicht gar!
Weitere Kostenlose Bücher