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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Augenblicke verpaßt, die ihm nichts schaden würden. Ich bin auch sicher, daß er angenehmere Gesellschaft einbüßt, als er sie in seinen Gedanken finden kann, sowohl in seinem muffigen, alten Büro als in seinen verstaubten Zimmern. Ich möchte ihm jedes Jahr dieselbe Gelegenheit bieten, ob er will oder nicht, denn ich bedaure ihn. Soll er über Weihnachten schimpfen, bis er stirbt, aber er kann nicht umhin, besser darüber zu denken – ich fordere ihn heraus –, wenn ich Jahr für Jahr gutgelaunt zu ihm komme und sage: ,Onkel Scrooge, wie geht’s dir?‘ Und sollte ich ihn nur dazu bewegen, seinem armen Angestellten fünfzig Pfund dazulassen, ist das schon etwas. Und ich glaube, gestern habe ich ihn aufgerüttelt.“
    Nun waren sie an der Reihe, über die Vorstellung zu lachen, daß er Scrooge aufgerüttelt habe. Da er aber von Grund auf gutmütig war und sich wenig darum kümmerte, worüber sie lachten, wenn sie nur überhaupt lachten, ermutigte er sie noch in ihrer Heiterkeit und reichte fröhlich die Flasche herum.
    Nach dem Tee machten sie Musik, denn sie waren eine musikalische Familie und wußten, was sie taten, wenn sie einen Rundgesang oder ein mehrstimmiges Lied anstimmten, das kann ich Ihnen versichern. Besonders Topper, der im Baß brummen konnte wie nur einer, ohne daß ihm die großen Adern auf der Stirn schwollen oder sein Gesicht rot wurde. Scrooges Nichte spielte gut Harfe und spielte neben anderen Melodien auch ein einfaches kleines Liedchen, das man in zwei Minuten pfeifen lernen könnte; es war dem Kind vertraut gewesen, das Scrooge aus dem Internat abholte, als er vom Geist vergangener Weihnachten erinnert worden war. Bei dieser Weise kamen ihm all die Dinge, die ihm der Geist gezeigt hatte, ins Gedächtnis zurück. Er wurde immer weicher gestimmt und dachte, daß er, wenn er sie vor Jahren öfter gehört hätte, die Annehmlichkeiten des Lebens zu seinem eigenen Glück mit seinen eigenen Händen mehr gehegt hätte, ohne erst zum Totengräberspaten greifen zu müssen, der Jacob Marley begrub.
    Aber sie widmeten sich nicht den ganzen Abend der Musik. Nach einer Weile machten sie Pfänderspiele, denn es ist gut, manchmal ein Kind zu sein, und es gibt keinen geeigneteren Zeitpunkt als Weihnachten, an dem sein allmächtiger Begründer selbst ein Kind war. Halt! Da war zuerst das Blindekuhspiel. Natürlich. Und ich glaube ebensowenig, daß Topper wirklich blind war, wie ich glaube, daß er Augen in den Stiefeln hatte. Meines Erachtens war es ein abgekartetes Spiel zwischen ihm und Scrooges Neffen, und der Geist der diesjährigen Weihnacht wußte es. Die Art und Weise, in der er hinter der drallen Schwester mit dem Spitzentuch herlief, war ein Hohn auf die Leichtgläubigkeit der menschlichen Natur. Er warf die Feuerhaken um, stürzte über Stühle, stieß gegen das Klavier und verfing sich in den Gardinen, doch wohin sie ging, da ging auch er hin! Er wußte stets, wo sich die dralle Schwester befand. Nie fing er einen anderen. Er wollte gar keinen anderen fangen. Wenn Sie ihm absichtlich in den Weg gelaufen wären (wie es einige taten), hätte er vorgetäuscht, Sie fassen zu wollen, was eine Beleidigung bezüglich Ihres Verstandes gewesen wäre, und hätte sich sofort in die Richtung der drallen Schwester geschlängelt. Sie rief oftmals, es ginge nicht ehrlich zu, und das ging es auch nicht. Aber als er sie endlich erwischt und sie trotz ihrer rauschenden Seide und des schnellen Vorbeihuschens in eine Ecke gedrängt hatte, aus der es kein Entrinnen gab, war sein Betragen abscheulich. Denn vorzugeben, er kenne sie nicht und müsse ihren Kopfputz befühlen und, um sie zu erkennen, einen bestimmten Ring am Finger und eine bestimmte Kette an ihrem Hals drücken, war widerwärtig und ungeheuerlich! Zweifellos sagte sie ihm auch ihre Meinung, als ein anderer „Blinder“ an der Reihe war und sie in vertraulichem Gespräch hinter den Gardinen standen.
    Scrooges Nichte nahm nicht am Blindekuhspiel teil, sondern hatte es sich in einem Sessel und mit einer Fußbank in einer gemütlichen Ecke bequem gemacht, wo der Geist und Scrooge dicht hinter ihr standen. An den Pfänderspielen aber beteiligte sie sich und schilderte den Gegenstand ihrer Bewunderung in allen Farben. Auch bei dem Spiel „Wie, wann, wo“ war sie großartig und besiegte zur heimlichen Freude von Scrooges Neffen ihre Schwestern mit Leichtigkeit, obwohl diese ebenfalls raffinierte Mädchen waren, wie Topper Ihnen bestätigen könnte. Es

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