Alle Weihnachtserzählungen
die nicht mißverstanden werden konnte, als er ihm auf den Rücken klopfte. „Ein fröhlicheres Weihnachtsfest, lieber Bob, als ich Ihnen so manches Jahr bereitet habe! Ich werde Ihr Gehalt erhöhen und mich bemühen, Ihrer hart ringenden Familie zu helfen, und wir wollen Ihre Angelegenheit heute nachmittag bei einer Weihnachtsbowle aus dampfendem Bischof besprechen, Bob! Heizen Sie tüchtig ein, und kaufen Sie noch einen Kohlenkasten, bevor Sie auch nur ein Tüpfelchen auf ein i setzen, Bob Cratchit!“
Scrooge zeigte sich noch besser, als seine Worte waren. Er tat alles und noch unendlich mehr, und dem kleinen Tim, der nicht starb, war er ein zweiter Vater. Er wurde ein so guter Freund, ein so guter Vorgesetzter und ein so guter Mensch, wie ihn nur die gute alte Stadt oder eine andere gute alte Stadt auf der guten alten Erde gekannt hat. Einige lachten, als sie die Veränderung an ihm bemerkten, aber er ließ sie lachen und beachtete sie kaum, denn er war klug genug, zu wissen, daß nichts Gutes auf dieser Welt geschah, was nicht zunächst von einigen Leuten belacht wurde. Und da er wußte, daß diese Menschen eben blind waren, hielt er es für ebensogut, daß sich Lachfältchen an den Augen bildeten, als wenn ihre Krankheit weniger anziehende Formen annähme. Sein eignes Herz lachte, und das genügte ihm voll und ganz.
Mit Geistern hatte er keinen weiteren Umgang mehr, lebte aber auch später nach dem Prinzip völliger Enthaltsamkeit. Es wurde ihm stets nachgesagt, daß er Weihnachten zu feiern verstünde, wenn überhaupt ein Lebender dies könnte. Möge dies auch von uns ehrlich gesagt werden, von uns allen! Und so – wie der kleine Tim bemerkte – segne Gott einen jeden von uns!
Die Silvesterglocken
Eine Gespenstergeschichte mit mehreren Glocken, die ein altes Jahr aus- und ein neues einläuten
Erstes Viertel
Es gibt nicht vieleMenschen – und da es wünschenswert ist, daß Geschichtenerzähler und Geschichtenleser so bald wie möglich zu gegenseitigem Verstehen gelangen, erlaube ich mir, zu erwähnen, daß ich diese Bemerkung weder auf junge noch auf kleine Menschen beschränke, sondern auf Menschen aller Lebenslagen ausdehne: auf kleine und große, junge und alte, auf die noch heranwachsenden und die schon in die Erde wachsenden –, ja, es gibt nicht viele Menschen, die in einer Kirche schlafen würden. Ich meine nicht, bei warmem Wetter während der Predigt (wo so etwas gewiß hin und wieder vorkommen wird), sondern in der Nacht, und dann allein. Eine große Anzahl Menschen wird sicher eine solche Situation schon am hellichten Tag erstaunlich finden. Aber es bezieht sich auf die Nacht. Das soll auch bei Nacht bewiesen werden, und ich verpflichte mich, dies in einer stürmischen, eigens dafür festgelegten Winternacht mit irgendeinem Partner durchzustehen. Er soll mich allein auf einem alten Friedhof vor einer alten Kirchentür treffen und mich vorher ermächtigen, ihn einzuschließen, nötigenfalls bis zum Morgen.
Denn der Nachtwind hat die gräßliche Angewohnheit, um ein Gebäude dieser Art herumzuziehen und dabei zu ächzen und mit unsichtbarer Hand an Fenstern und Türen zu rütteln und ein paar Spalten zu suchen, durch die er sich Eingang verschaffen kann. Und wenn er drin ist, wie einer, der nicht findet, was er sucht – was es auch sein mag –, wimmert und heult er, um wieder hinauszugelangen. Und da es ihm nicht genügt, durch das Kirchenschiff zu fegen, um die Säulen zu gleiten und die volltönende Orgel auszuprobieren, schwingt er sich zum Dach empor und müht sich, an den Dachsparren zu zerren. Dann stürzt er sich voller Verzweiflung auf die Fliesen nieder und verschwindet grollend in den Grabgewölben. Sofort kommt er heimlich wieder herauf und schleicht an den Wänden entlang, als ob er flüsternd die den Toten gewidmeten Inschriften lese. Bei einigen bricht er wie in schrilles Gelächter aus, bei anderen stöhnt und weint er, als ob er etwas beklage. Er gibt auch Geistertöne von sich, die im Altarraum nachhallen, wo er in seiner wilden Art von Missetat und Mord und angebeteten Göttern zu singen scheint, den Gesetzestafeln zum Trotz, die so makellos und glatt aussehen, aber rissig und zerbrochen sind. Hu! Der Himmel behüte uns, die wir gemütlich am Kamin sitzen! Er hat eine furchtbare Stimme, dieser Wind, der um Mitternacht in einer Kirche singt.
Aber hoch oben im Turm erst! Dort brüllt und pfeift der Sturm. Hoch oben im Turm, wo er ungehindert durch viele luftige Bogen und
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