Alle Weihnachtserzählungen
Schlitze wehen, sich um die schwindelerregende Treppe winden, den knarrenden Wetterhahn herumwirbeln und den Turm zum Schwanken und Beben bringen kann! Hoch oben im Turm, wo der Glockenstuhl ist, wo Eisengeländer von Rost zerfressen sind und verwitterte Blei- und Kupferbleche krachen und keuchen, wo Vögel ihre kümmerlichen Nester in die Ecken alter Eichenträger und Balken stopfen, wo Staub alt und grau wird, wo sich gesprenkelte Spinnen, die schon von dem langen Leben in Sicherheit dick und träge geworden sind, beim Schwingen der Glocken hin und her schaukeln und nie den Halt an ihren aus Fäden gesponnenen Luftschlössern verlieren oder wie ein Matrose bei Alarm hochklettern oder sich auf den Boden fallen lassen und eine Anzahl beweglicher Beine anstrengen, um ihr Leben zu retten! Hoch oben im Turm einer alten Kirche – weit über dem Licht und Lärm der Stadt und weit unter den fliegenden Wolken, deren Schatten ihn umgeben – ist es nachts unheimlich und düster, und hoch oben im Turm einer alten Kirche hingen die Glocken, von denen ich erzähle.
Es waren alte Glocken, glauben Sie mir. Vor Jahrhunderten waren diese Glocken von Bischöfen geweiht worden; vor so vielen Jahrhunderten, daß das Taufregister schon seit Menschengedenken verschwunden ist und keiner mehr ihre Namen kennt. Sie hatten ihre Paten und zweifellos auch ihre Silberbecher gehabt, diese Glocken (ich für meinen Teil würde übrigens lieber die Verantwortung auf mich laden, bei einer Glocke Pate zu sein als bei einem Jungen). Aber die Zeit hatte ihre Stifter hinweggerafft, und Heinrich VIII. hatte ihre Becher eingeschmolzen, und nun hingen sie ohne Namen und Becher im Kirchturm.
Allerdings nicht stumm. Im Gegenteil. Diese Glocken hatten klare, laute, kräftige, wohltönende Stimmen, die man nah und fern über den Wind hinweg hören konnte. Sie waren viel zu unnachgiebig, als daß sie sich von der Gefälligkeit des Windes abhängig machten, denn indem sie tapfer gegen seine widrigen Launen ankämpften, ließen sie ihre fröhliche Melodie großartig an die lauschenden Ohren dringen, und in ihrer Entschlossenheit, auch in stürmischen Nächten von der armen Mutter, die bei ihrem kranken Kind wacht, und einer einsamen Ehefrau, deren Mann auf See ist, gehört zu werden, waren sie dafür bekannt, daß sie manchmal einen tobenden Nordwest übertönten. Jawohl, mit aller Macht, wie Toby Veck sagte, denn obwohl man ihn Trotty Veck nannte, hieß er Toby, und niemand konnte etwas anderes daraus machen (außer Tobias), es sei denn durch ein besonderes Parlamentsgesetz. Er war zu seiner Zeit ebenso rechtmäßig getauft worden wie die Glocken zu der ihrigen, wenn auch nicht mit ganz so großer Feierlichkeit und öffentlicher Lustbarkeit.
Ich für mein Teil bekenne mich zu Toby Vecks Ansicht, denn ich bin sicher, daß er genügend Gelegenheit hatte, sich die rechte Meinung zu bilden. Und was Toby Veck sagte, das sage auch ich. Und ich stelle mich zu Toby Veck, obwohl er den lieben langen Tag (eine beschwerliche Arbeit war das) draußen vor der Kirchentür stand. Er war nämlich Gepäckträger, dieser Toby Veck, und wartete dort auf Aufträge.
Ein zugiger Platz war es, an dem man Gänsehaut, eine blaugefrorene Nase, rote Augen und steife Zehen bekam und wo einem die Zähne klapperten, wenn man im Winter dort wartete. Das wußte Toby Veck nur zu gut. Der Wind – besonders der Ostwind – kam um die Ecke gefegt, als hätte er sich eigens vom anderen Ende der Welt auf den Weg gemacht, um Toby anzublasen. Manchmal schien er ihn eher als erwartet anzutreffen, denn wenn er – an Toby vorbei – um die Ecke stürmte, kehrte er plötzlich um, als riefe er: „Na, da ist er ja!“ Sofort wurde Toby wie einem ungezogenen Jungen seine kleine weiße Schürze über dem Kopf zusammengeklatscht, sein dünnes Stöckchen kämpfte vergeblich in seiner Hand, seine Beine wurden furchtbar durchgerüttelt, und er selbst, der ganz schief stand und bald in diese, bald in jene Richtung blickte, wurde dermaßen gestoßen und geknufft, gezaust und gezerrt, geschoben und geschubst, daß es fast an ein Wunder grenzte, daß er nicht tatsächlich, wie es mit einer Kolonie Fröschen oder Schnecken oder anderen leichteren Geschöpfen manchmal geschieht, in die Luft gehoben wurde und zum großen Erstaunen der Eingeborenen in irgendeiner fremden Gegend, wo Dienstmänner unbekannt sind, als Regen niederging.
Doch stürmisches Wetter war, obwohl es ihm so hart zusetzte, trotz alledem
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