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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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hatte er nicht vergessen genügend Feuerholz zu sammeln. Er war dankbar dafür, dass er Feuer hatte, und dankbar dafür, dass es Fische im See gab, die er essen konnte. Und vor allem dankte er dafür, dass er noch am Leben war.
    Wie verrückt!, dachte er, während er in den Schlaf hinüberglitt, der seine Schmerzen lindern würde. Wie verrückt von dieser Kuh, mich ohne einen Grund anzugreifen.
    Und noch im Traum sah er die rot unterlaufenen Augen der Elchkuh, die ihn verfolgten.
    Ein Geräusch weckte ihn.
    Es war ein leises Geräusch, ein dumpfes Röhren, das der Wind erzeugte. Sofort war Brian hellwach. Nicht weil das Geräusch eine Gefahr ankündigte, sondern weil es ein unbekanntes Geräusch war. Schon oft hatte er den Wind an seiner Schutzhütte rütteln hören, hatte den prasselnden Regen gespürt, den der Wind brachte, und Blitz und Donner oft genug erlebt. Nicht aber dieses Geräusch.
    Leise zuerst, beinahe lebendig, als käme es aus der Kehle eines Lebewesens, war es ein fernes Grollen, ein Rumpeln von jenseits der Wälder, das Brian aufschreckte. Er saß in der Dunkelheit und massierte sich die schmerzenden Rippen. Der Schmerz war anders jetzt, hatte sich an einer Stelle zusammengezogen und pochte schwächer.
    Aber da war dieses Geräusch. Wie seltsam!, dachte er. Wie geheimnisvoll. Ein geisterhaftes Geräusch. Ein schlimmes Zeichen. Er warf dürre Zweige auf die glühende Asche und fachte das Feuer wieder an, dessen Wärme ihm Trost und Zuversicht schenkte. Brian wollte bereit sein. Wofür, das wusste er nicht. Doch er ahnte, dass er bereit sein sollte. Dieses Geräusch suchte ihn in der Dunkelheit. Es war hinter ihm her und er musste bereit sein. Das Geräusch war gekommen, um ihn zu holen.
    Er nahm den Speer und den Bogen von der Wand, wo er seine Waffen an einem Zapfen aufgehängt hatte, und legte sie neben sein Bett aus Fichtenzweigen, das er sich aufgeschüttet hatte. Die Waffen gaben ihm Trost. Aber wie der Trost des Feuers waren sie machtlos gegen die neue Gefahr, die Brian noch nicht verstand. Eine unbestimmte, aber doch fühlbar drängende Gefahr.
    Brian kroch durch die Tür ins Freie und blickte zum Himmel. Aber es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Eine Ahnung beschlich ihn, was dieses Geräusch bedeuten mochte. Eine Erinnerung an irgendetwas, das er gelesen hatte. Etwas, das er im Fernsehen gesehen hatte. Etwas … Nein!, dachte er. Oh, nein.
    Der Wind steigerte sich zum Sturm und es war ein Sturm, der mit dem tiefen Dröhnen eines rollenden Schnellzugs über das Land raste. Es war ein Tornado! Und er raste in Brians Richtung.
    Lieber Gott!, dachte er. Zuerst die Elchkuh – und jetzt dies. Doch es war zu spät, um etwas dagegen zu tun. In der kurzen Windstille, die jetzt einsetzte, spähte er noch einmal angstvoll zum Himmel. Dann bückte er sich, um wieder in seine Hütte zu kriechen – als der Sturm ihn mit voller Wucht erwischte. Irgendeine verrückte Kraft überfiel ihn von hinten, schleuderte ihn kopfüber in die Höhle, rammte sein Gesicht in die Fichtenzweige der Bettstatt. Im gleichen Moment raste ein Windstoß über das Feuer, wirbelte Funken und Glut durch die Luft.
    Dann schien der Sturm einen Moment zu verschnaufen, zögerte kurz und setzte mit dumpfem Brüllen wieder ein.
    Ein Brüllen, das Brians Ohren betäubte und seinen Körper lähmte. Wie ein nasser Lappen wurde er gegen die Reisigwand seiner Schutzhütte geschleudert und dann wieder – oh, dieser Schmerz in den Rippen – flach auf den Sand gedrückt, während der Sturm die ganze geflochtene Wand mitriss und entführte, sein Bett und seine Jagdwaffen, das Feuer – und alles in einem wirbelnden Sog auf den See hinaustrug. Verschwunden. Für immer verschwunden.
    Er fühlte einen brennenden Stich im Genick, und als er mit der Hand danach tastete, waren es glühende Aschenreste. Auch in seinen Kleidern, in seinen Haaren hingen glühende Stücke, die er hastig abbürstete, bis der Sturm wieder mit wuchtigen Stößen an ihm zu zerren begann.
    Er hörte im Wald die Bäume knacken, hörte das Wasser im See aufbrausen und kroch aus der Höhle, bevor neuer Funkenflug ihn versengte. Um nicht vom Sturm mitgerissen zu werden, klammerte er sich an den Steinen fest. Er konnte nicht mehr klar denken, klammerte sich nur noch fest und hörte sich mit lauter Stimme beten. Er wusste nicht, welches Gebet er sprach. Er wusste nur noch, dass er leben wollte; dass er um sein Leben flehte.
    In diesem Moment zog das Auge des Sturmes über ihn

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