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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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Klavier. Ebony and Ivory. Sehr PC.
    Entschuldigen Sie, meine Damen. Fahren Sie einen BMW?
    Schweigen.
    Ich meine, abgesehen von der Arbeit. Fahren Sie einen BMW?
    »Mein Mann«, sagt die erste, »hat einen BMW, aber ich fahre einen VW.« Auch die zweite bringt den Mut auf, mir zu antworten. Sie hat ebenfalls zwei Autos, eines von jeder der beiden Marken.
    Gut. Wir sind alle gleich; die Autos auch.
    Nachdem ich das »Klavier« hinter mir gelassen habe, sehe ich das Motto des Unternehmens auf Videobildschirmen im Eingangsbereich:
    »To bring a design to life you need to believe in it.
    BMW design embodies what BMW stands for.
    We create … emotional pieces.
    Emotion drives perfection.«
    Emotionale Teile? Geht’s noch?
    In einem angrenzenden Gebäude befindet sich eine Halle, in der nur ein Auto steht, umgeben von Bildschirmen, dazu im Hintergrund ein riesiger Bildschirm.
    Und dieser Satz:
    »Who knew perfection could be that beautiful!«
    Das Ganze wirkt wie ein Tempel, in dem das Auto die Gottheit ist. Und wir, die Schaulustigen, sind die Gottesdienstbesucher.
    Ich wußte, daß Deutschland nie kapitalistisch war. Es ist eine extrem religiöse, ausgesprochen fromme Gesellschaft.
    Alles in allem ist der BMW-Komplex weniger ambitioniert als die Autostadt, aber auch weniger grell und in vielerlei Hinsicht angenehmer fürs Auge. Hier wie dort muß man einfach das deutsche Design bewundern. Es ist von bestechender Schönheit. Überhaupt fallen mir in diesem Land immer häufiger dieses fantastische Design und die großartige Bildgestaltung auf. Und zwar überall. Ob es sich um ein Bühnenbild im Theater handelt, die Anlage der großen Plätze mit ihren Skulpturen oder aber um Museen wie dieses. Das deutsche Design ist nachgerade von himmlischer Schönheit. Es ist, mit einem Wort, genial.
    Weiter geht’s ins Werk, wo man das eine oder andere lernen kann. Das Modell, das hier hergestellt wird, ist der 3er BMW. Es dauert 52 Stunden, ein Auto vom Anfang bis zum Ende zu bauen, die Pausen der Mitarbeiter nicht eingerechnet. 900 Wagen verlassen täglich dieses Werk. Die meisten Amerikaner wollen ihren BMW in Weiß. Die Deutschen ziehen gedecktere Farben vor, Tiefblau zum Beispiel. Von den 1100 hier Beschäftigten sind zehn Prozent Frauen. Ich verstehe jedoch nicht so recht, wofür sie so viele Mitarbeiter brauchen. Wenn Sie jetzt zufällig neben mir stünden und ihnen zuschauten, würden Sie mir zustimmen. Hier ist einer, der mit seinemiPhone spielt und seine E-Mails liest. Da drüben spaziert jemand mit einem Becher Kaffee herum. Und da ist noch einer, der sich gerade einen Kaffee genehmigt. Ein hartes Leben.
    Die Roboter hier machen hingegen keine Kaffeepausen. Diese Roboter arbeiten wie ein Team zusammen, und sie sind auch eins. Das hier ist Science-fiction ohne Fiction. Wie ein Roboter darauf wartet, daß ein anderer Roboter seine Aufgabe erledigt hat, bevor er seinen eigenen Part übernimmt, ist frappierend und amüsant zugleich. Und je länger man sie sich anschaut, desto mehr Gefallen findet man an ihnen, als ob sie Menschen wären, oder Haustiere.
    Bald werden diese Roboter eine Gewerkschaft gründen, Roboterrechte einfordern und ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk erklären. Ganz bestimmt.
    Ein Wort über die Sauberkeit in dieser Fabrik: Man könnte den Boden ablecken. Jeden Quadratmillimeter. Ganz im Ernst. Wie hält man einen solchen Ort so sauber? Wer hat bloß diese Deutschen erschaffen? Gott kann es nicht gewesen sein. So vollkommen ist er nun auch wieder nicht.
    Ich gehe weiter. Kommen Sie mit! Schauen Sie sich den Bereich an, wo die Autos lackiert werden. Wenn ich meinen Federhalter nachfülle, veranstalte ich eine größere Sauerei als die hier. Und hier geht es um Autos. Ich spreche von Autos . Nicht einem, nicht zweien – sondern Hunderten. Und die Halle ist blitzeblank. Wie schaffen diese Leute das? Wie führen diese Deutschen, entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, ihren Auftrag mit solcher Reinlichkeit aus?
    Ich weiß auch nicht wieso, aber mir kommt gerade die Rote Flora in den Sinn. Viele Gesichter hat dieses Vaterland, die sich nicht alle gleichen. Oder handelt es sich einfach um die andere Seite ein und derselben Münze?
    Ich fühle mich so sauber, daß ich mich gleich übergeben muß. Ich gehe raus, nehme eine Bahn und steige zehn Minuten später wieder aus. Eine »Demo« empfängt mich. Wo bin ich, in Hamburg etwa? Nein, nein. Immer noch in München. Studenten demonstrieren. Worum

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