Alleinerziehend mit Mann
eine großartige Kindheit hat und …«
»Ja. Und?«
»Hast du nie ein schlechtes Gewissen?«
»Nein, wieso?«
»Na, weil du die Dinge nicht so … na, nicht so gut erledigst, wie du eigentlich könntest. Zum Beispiel hast du die Glyzinie im Garten einfach mit einem Drahtkleiderbügel an der Dachrinne befestigt. Was, wenn der Sophie auf den Kopf fällt?«
»Das Ding hält schon.«
»Du warst im letzten Jahr auf keinem einzigen Elternabend!«
»Ach, da passiert doch sowieso immer das Gleiche. Und außerdem gehst du doch da immer hin.« Ja. Genau. Schön blöd.
»Du hast Sophie seit drei Jahren ein Baumhaus versprochen.«
»Ja, mach ich auch irgendwann.«
»Du hast neulich vergessen, ein Frühstück für Sophie zu machen, als ich nicht da war. Sie ist dann völlig ohne was zu essen in die Schule.«
»Ja, und? Sie ist doch nicht verhungert.«
Ich starre meinen Mann an. Ich kann’s nicht glauben. Kein schlechtes Gewissen. Kein Gewissensgeist liegt neben ihm. Noch nicht mal ein Schimmer davon ist zu sehen.
Mein Mann seufzt auf und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
»Schatz, ich weiß echt nicht, was du für ein Problem hast. Entspann dich doch einfach mal. Wenn es dir gerade nicht so gutgeht, solltest du vielleicht mal mit Dr. Walter reden. Der hat bestimmt ein paar hübsche Tabletten für dich. Und jetzt sei mir nicht böse, ich muss schlafen, ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir.«
Sagte er, drehte sich um und war innerhalb von drei Sekunden eingeschlafen, während ich noch die halbe Nacht wach lag und grübelte.
Was kann man aus so einem Gespräch lernen?
1. Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.
2. Aber am besten ist es, Mann hat einfach gar kein Gewissen. Männern und Vätern fehlt einfach die Veranlagung dazu. Kein Wunder, wenn man sich jahrtausendelang als Herren der Welt gefühlt hat. Da kann ja das Gefühl für »Ich mach hier vielleicht was falsch« gar nicht entwickelt worden sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass es Ehemänner von tollen Ehefrauen mit zwei entzückenden Kindern gibt, die ihre Ehefrau jahrelang mit der tätowierten Schlampe von der Würstchenbude am Hauptbahnhof betrügen, ohne auch nur eine Sekunde ein blödes Gefühl dabei zu haben?
Aber bei Frauen ist das offensichtlich anders. Speziell bei Müttern. Irgendwann in der Nacht ist mir klargeworden: Das schlechte Gewissen ist etwas spezifisch Weibliches, Mütterliches und wird auf den X-Chromosomen direkt von Müttern an die Töchter vererbt. Ich nehme mal an, schon meine Mutter hatte ab und zu so eine Schattenfrau neben sich. Ich kann mich an so ein paar Situationen erinnern, in denen sie einen so seltsamen Gesichtsausdruck hatte, und ich dachte, sie würde Selbstgespräche führen.
Mit dieser Erkenntnis bin ich dann endlich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen beim Frühstück wollte ich Sophie das übliche Müsli in die Schüssel geben und merkte, dass ich gestern vergessen hatte, noch schnell Müsli einzukaufen, und das Brot im Brotkorb war über Nacht verschwunden (okay, ich hab manchmal so gegen vier Uhr Heißhungerattacken).
Mist. Ich griff in die Schublade nach ein paar Keksen. Wenigstens gab’s noch Milch. In diesem Augenblick tauchte mein Geist auf und stellte sich provokant vor die Schublade.
»Was? Das soll Sophie jetzt zum Frühstück essen? Kekse mit Milch! Was für eine Mutter! Kekse zum Frühstück für ein Schulkind. Nur weil du es gestern nach dem Arbeiten nicht mehr geschafft hast, noch schnell in den Biosupermarkt zu rennen und …«
Ich starrte diese blasse Frau in meinem alten schlabberigen Schlaf-T-Shirt an.
Unglaublich. Und dann holte ich tief Luft und sagte einfach: »Ja und?«
»Ja und? Ja und, sagst du so einfach, während du deinem Kind zum Frühstück überzuckerte Kekse gibst. Sie wird sich nicht konzentrieren können vor lauter Zucker. Und an Karius und Baktus wollen wir ja gar nicht denken, schließlich ist nicht mehr genügend Zeit, jetzt nach dem Frühstück noch mindestens fünf Minuten lang gründlich die Zähne zu putzen und …«
»Ja und? Sie isst sonst jeden Tag Müsli zum Frühstück. Einmal Kekse mit Milch werden sie schon nicht umbringen.«
»Nicht umbringen? Nicht umbringen? Was ist denn das für eine Einstellung? So führst du die Familie in den glatten Untergang und …«
»Ach, halt doch einfach mal die Klappe. Ich tue, was ich kann, und manchmal kann ich einfach nicht mehr. Und jetzt isses mal gut. Zisch endlich ab und such dir einen
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