Aller guten Dinge sind vier
länger hier gelegen hätte, wär sie bei dieser Hitze aufgeschwollen wie ein Medizinball. Sie wär geplatzt, und da drinnen wär jetzt alles voll Maden und Gedärm.«
»Mensch, das würd ich gern sehen, Maden und Gedärm«, sagte Sally. »Warten wir doch zwei Stunden und kommen dann wieder.«
Ich wandte mich vom Fenster ab und lief zum Wagen. »Wir müssen die Polizei anrufen.«
Lula war mir dicht auf den Fersen. »Von wegen
wir
. Wenn ich einen Bullen seh, krieg ich die Krätze.«
»Du gehst ja nicht mehr auf den Strich. Du brauchst die Polizei nicht zu fürchten.«
»Tja, das ist eben so ein emotionales Trauma«, sagte Lula.
Zehn Minuten später hielten zwei blau-weiße Fahrzeuge am Bordstein. Carl Constanza stieg aus dem ersten aus, sah mich an und schüttelte den Kopf. Ich kannte Carl seit der Grundschule. Er war immer der magere kleine Junge mit dem schlecht geschnittenen Haar und dem altklugen Zug um den Mund gewesen. Er hatte in den letzten Jahren ein bißchen zugelegt, und er hatte einen guten Friseur gefunden. Den altklugen Zug um den Mund hatte er immer noch, aber insgesamt war er ein netter Mensch und ein ziemlich guter Polizist.
»Schon wieder eine Leiche?« fragte Carl. »Sag mal, willst du einen Rekord aufstellen? Wer im Stadtbereich Trenton die meisten Leichen findet?«
»Sie liegt in der Küche. Wir waren nicht im Haus. Die Tür ist abgeschlossen.«
»Na ja, ich hab zum Fenster reingeschaut und –«
Carl hob abwehrend eine Hand. »Sag nichts. Ich will’s lieber nicht hören. Tut mir leid, daß ich gefragt hab.«
Der Polizist aus dem zweiten Auto war zum Fenster gegangen und stand jetzt dort, die Hände an seinem Pistolengürtel. »Ja, da liegt sie«, meldete er, das Gesicht an die Scheibe gedrückt. Er klopfte an das Fenster. »Hey, Lady!« Er drehte sich nach uns um und kniff die Augen gegen die Sonne zusammen. »Sieht mir mausetot aus.«
Carl ging zur Haustür und klopfte. »Mrs. Nowicki? Hier ist die Polizei.« Er klopfte noch einmal, lauter. »Mrs. Nowicki, wir kommen jetzt rein.« Er verpaßte der Tür einen kräftigen Faustschlag, der morsche Rahmen splitterte, und die Tür flog auf.
Ich folgte Carl in die Küche und wartete, während er sich über Mrs. Nowicki beugte und nach einem Lebenszeichen forschte.
Im Spülbecken lagen noch mehr blutige Handtücher, und auf der Arbeitsplatte ein blutiges Messer. Mein erster Gedanke war gewesen, daß man sie erschossen hatte, aber es war nirgends eine Schußwaffe zu sehen, und es gab keine Anzeichen für einen Kampf.
»Ich glaub, das ist was für den Arzt«, sagte Carl zu seinem Kollegen. »Ruf an. Ich weiß nicht genau, was wir hier haben.«
Sally und Lula standen an der Wand.
»Was meinen Sie?« fragte Lula Carl.
Carl zuckte die Achseln. »Weiß auch nicht. Sie schaut ziemlich tot aus.«
Lula nickte. »Das fand ich auch. Sobald ich sie gesehen hab, hab ich mir gedacht, die Frau ist hinüber.«
Der zweite Polizist verschwand, um den Anruf zu erledigen, und Lula schob sich näher an Mrs. Nowicki heran. »Was ist da wohl passiert? Ich wette, sie ist gestürzt und hat sich den Kopf angeschlagen, dann hat sie sich das Handtuch drumgewickelt und ist krepiert.«
Das klang mir ganz vernünftig … Wenn nicht das Messer gewesen wäre, an dem Blut und Haare klebten.
Lula beugte sich vor und inspizierte das Handtuch, das wie ein Turban geschlungen war. »Das muß ein ganz schöner Schlag gewesen sein. Da ist ja massenhaft Blut.«
Wenn Menschen sterben, ist es im allgemeinen so, daß ihre Körper sich entleeren und sich ziemlich schnell ein unangenehmer Geruch entwickelt. Mrs. Nowicki roch nicht tot. Mrs. Nowicki roch nach Jim Beam.
Carl und ich vermerkten beide diese Ungereimtheit und tauschten einen Blick, als plötzlich Mrs. Nowicki ein Auge öffnete und Lula fixierte.
»Igitt!« Kreischend sprang Lula zurück und fiel gegen Sally. »Sie hat ein Auge aufgeklappt!«
»Damit ich dich besser sehen kann«, krächzte Mrs. Nowicki mit heiserer Raucherstimme.
Carl trat zu ihr. »Wir dachten, Sie wären tot.«
»Noch nicht, Jungchen«, versetzte Mrs. Nowicki. »Aber höllische Kopfschmerzen hab ich, das kann ich Ihnen sagen.« Sie hob zitternd die Hand und betastete das Handtuch. »Ach, ja, jetzt weiß ich’s wieder.«
»Was ist denn passiert?«
»Es war ein Unfall. Ich wollte mir die Haare schneiden, und da ist mir die Hand ausgerutscht, und ich hab mich am Kopf geschnitten. Es hat ziemlich stark geblutet, drum hab ich mir
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