Aller guten Dinge sind vier
ein Handtuch um den Kopf gewickelt und zur Stärkung einen Schluck aus der Flasche genommen.« Mühsam richtete sie sich auf. »Was dann passiert ist, weiß ich nicht mehr genau.«
Lula stemmte eine Hand in ihre Hüfte. »So, wie’s aussieht, haben Sie die Flasche leergemacht und dann das Bewußtsein verloren. Sie haben ein bißchen zuviel von Ihrem Stärkungsmittel getrunken.«
»Eher nicht genug, find ich«, murmelte Sally. »Mir hat sie tot besser gefallen.«
»Ich brauch eine Zigarette«, verkündete Mrs. Nowicki. »Hat jemand ne Zigarette?«
Ich hörte draußen Autos vorfahren, dann Schritte im Flur. Carls Kollege kam herein, gefolgt von einem Mann in Zivil.
»Sie ist gar nicht tot«, erklärte Carl.
»Vielleicht war sie’s mal«, meinte Lula. »Vielleicht ist sie eine von diesen wandelnden Toten.«
»Vielleicht sind Sie eine Irre«, sagte Mrs. Nowicki. Draußen blinkten die Lichter eines Rettungswagens, zwei Sanitäter kamen in die Küche gelaufen.
Ich drängte mich zur Tür, hinaus auf die Veranda und hinunter zum Rasen. Ich wollte nicht unbedingt dabei sein, wenn sie das Handtuch runternahmen.
»Ich weiß nicht, wie’s mit dir ist«, sagte Lula, »aber ich hab genug von dieser Party.«
Mir ging es nicht anders. Carl wußte, wo ich zu finden war, falls es Fragen geben sollte. Nach einem Verbrechen sah das hier sowieso nicht aus. Säuferin schneidet sich im Suff mit dem Küchenmesser ein Loch in den Kopf und verliert das Bewußtsein. So was passiert wahrscheinlich alle Tage.
Wir schwangen uns ins Auto und brausten zum Büro zurück. Ich verabschiedete mich von Lula und Sally, kroch in meinen CRX und fuhr nach Hause. Sobald die Lage sich etwas beruhigt hatte, würde ich mir irgendein langstieliges Instrument besorgen, um die Flasche unter der Veranda hervorzuholen. Ich wollte der Polizei nichts von der Schnitzeljagd erzählen.
In der Zwischenzeit konnte ich ein paar Anrufe erledigen. Die Liste, die Eddie Kuntz mir gegeben hatte, hatte ich nur teilweise abgeklappert. Es konnte nichts schaden, die restlichen Leute anzurufen.
Mrs. Williams, eine Nachbarin von mir, war im Foyer, als ich durch die Tür kam. »Ich hab ein schreckliches Klingeln in meinen Ohren«, sagte sie. »Und mir wird immer schwindlig.«
Eine zweite Nachbarin, Mrs. Balog, stand neben Mrs. Williams und schaute in ihren Briefkasten. »Das ist Arterienverkalkung. Evelyn Krutchka im zweiten Stock hat’s ganz schlimm. Ich hab gehört, daß ihre Arterien fast versteinert sind.«
Die meisten Leute in meinem Haus waren alt. Aber es gab auch einige jüngere, zwei alleinerziehende Mütter mit Säuglingen, Ernie Wall und seine Freundin May und noch eine Frau in meinem Alter, die allerdings nur Spanisch sprach. Wir waren der Bodensatz der Gesellschaft, der von Rente, Sozialhilfe oder Einkommen zweifelhafter Zuverlässigkeit lebte. Tennis oder Golf interessierten uns nicht. Wir waren größtenteils eine ruhige, friedliche Gruppe, ohne triftigen Grund bis an die Zähne bewaffnet, gewaltbereit nur dann, wenn ein bevorzugter Parkplatz auf dem Spiel stand.
Ich ging zu Fuß nach oben, weil ich hoffte, das würde den Kuchen neutralisieren, den ich zum Frühstück verdrückt hatte. In meiner Wohnung bog ich unverzüglich nach links in die Küche ab, steckte den Kopf in den Kühlschrank und kramte auf der Suche nach dem perfekten Mittagessen ein bißchen darin herum. Nach ein paar Minuten entschloß ich mich für ein hartes Ei und eine Banane.
Ich setzte mich an meinen Eßtisch, der in einem kleinen Alkoven meines Wohnzimmers steht, aß mein Ei und sah mir die Liste von Privatleuten und Geschäften an, die Kuntz mir gegeben hatte. Zuerst rief ich bei Maxines Reinigung an. Nein, in letzter Zeit hatte niemand sie gesehen. Nein, sie hatte keine Kleider da, die abgeholt werden mußten. Ich telefonierte mit meiner Cousine Marion, die in Maxines Bank arbeitete, und erkundigte mich nach den letzten Transaktionen. Keine neuen Eintragungen, sagte Marion. Die letzte Transaktion datierte zwei Wochen zurück; damals hatte sie dreihundert Dollar am Automaten abgehoben.
Der letzte Name auf der Liste war der eines 7-Eleven-Supermarkts in Nord-Trenton, keinen halben Kilometer von den Wohnungen Eddie Kuntz’ und Mama Nowickis entfernt. Die Nachtgeschäftsführerin hatte gerade ihren Dienst angetreten, als ich anrief. Sie sagte, eine Frau, auf die Maxines Beschreibung passe, sei am Abend zuvor dagewesen. Sie erinnerte sich an sie, weil die Frau Stammkundin
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