Aller guten Dinge sind vier
aufhalten. Wenn du dir’s plötzlich anders überlegst, erschieß ich dich.«
»Hm, aber du paßt auf.«
Er hatte die Hand an seinem Reißverschluß. »Okay, ich laß sie auf dem Nachttisch.«
»Ich meine nicht die Kanone.«
Morelli, der schon dabei war, den Reißverschluß aufzuziehen, hielt inne. »Nimmst du nicht die Pille?«
»Nein.« Einmal alle tausend Jahre, da lohnt sich die Pille doch wirklich nicht.
»Und…«
»Hab ich auch keine da.«
»Scheiße«, sagte Morelli.
»Du hast nichts in deiner Brieftasche?«
»Du wirst’s nicht glauben, aber das Tragen von Notkondomen ist bei der Polizei nicht Vorschrift.«
»Ja, aber…«
»Ich bin keine achtzehn mehr. Meine Erfolgsquote bei Frauen ist stark gesunken.«
Wie tröstlich. »Du hast wahrscheinlich keinen Bock, mir die gegenwärtige Quote zu verraten?«
»Im Augenblick ist sie gleich null.«
»Wir könnten’s mit einem Gefrierbeutel versuchen.«
Morelli lachte. »Du bist echt scharf auf mich.«
»Vorübergehende geistige Verwirrung.«
»Das glaub ich nicht. Du bist schon seit Jahren scharf auf mich. Du hast unsere Doktorspiele in der Grundschule nie vergessen.«
Ich spürte richtig, wie mir die Kinnlade runterfiel, und klappte meinen Mund augenblicklich wieder zu. Die Hände zu Fäusten geballt, um ihn nicht erwürgen zu können, zischte ich: »Du bist ein so blöder Idiot!«
»Ich weiß«, sagte Morelli. »Das ist Veranlagung. Ein Glück, daß ich so süß bin.«
Morelli war vieles, süß war er nicht. Cockerspaniels sind süß. Babyschühchen sind süß. Aber Morelli war nicht süß. Morelli konnte Wasser mit einem Blick zum Kochen bringen. Süß war ein viel zu läppisches Adjektiv, um Morelli zu beschreiben.
Er zupfte mich am Haar. »Ich würd ja zum Laden fahren, aber ich vermute, deine Tür wäre abgesperrt, wenn ich zurückkomme.«
»Dafür spricht einiges.«
»Na ja, dann bleibt nur eines.«
Ich wappnete mich.
4
Morelli ging ins Wohnzimmer und schnappte sich die Fernbedienung für meine Glotze. »Wir können uns das Baseballspiel anschauen. Die Yankees spielen. Hast du Eis da?«
Ich fand erst mal keine Worte. »Erdbeer am Stiel«, sagte ich dann.
»Na, wunderbar.«
Ich war durch Erdbeereis am Stiel ersetzt worden, und Morelli schien gar nicht unglücklich darüber. Ich hingegen hätte am liebsten irgendwas zusammengeschlagen. Morelli hatte recht – ich war wirklich scharf auf ihn. Er hatte vielleicht auch mit den Küchenvorhängen recht gehabt, ans Besteck wollte ich erst gar nicht denken. Mit reiner Lust kam ich ganz gut zurecht, aber allein bei dem Gedanken an den Wunsch nach einer Beziehung mit Morelli wurde mir angst und bange.
Ich reichte ihm sein Eis am Stiel und setzte mich in den Sessel; nur ja nicht zu ihm aufs Sofa, sonst würde ich womöglich auf ihn losgehen wie eine läufige Hündin.
Gegen halb zehn fing ich an, auf meine Uhr zu sehen. Ich dachte an die Flasche unter Mrs. Nowickis Veranda und überlegte, wie ich an sie rankommen sollte. Ich könnte mir einen Rechen von meinen Eltern leihen. Den Stiel könnte ich mit irgendwas verlängern. Wahrscheinlich würde ich eine Taschenlampe benützen und dann schnell arbeiten müssen, weil das Licht bestimmt auffallen würde. Wenn ich bis zwei Uhr morgens wartete, würden die Chancen, von jemandem gesehen zu werden, wesentlich geringer sein. Andererseits würde der Strahl einer Taschenlampe um zwei Uhr morgens weit mehr Verdacht erregen als um zehn Uhr abends.
»Okay«, sagte Morelli, »was ist los? Warum schaust du dauernd auf die Uhr?«
Ich gähnte und streckte mich. »Es ist spät.«
»Es ist gerade mal halb zehn.«
»Ich geh früh schlafen.«
Morelli schüttelte den Kopf. »Einen Bullen sollte man nie anlügen.«
»Ich hab noch zu tun.«
»Was denn?«
»Nichts Besonderes.«
Draußen klopfte es, und wir drehten beide die Köpfe zur Tür.
Morelli sah mich forschend an. »Erwartest du Besuch?«
»Das ist wahrscheinlich die alte Mrs. Bestler aus dem zweiten Stock. Sie vergißt manchmal, wo sie wohnt.« Ich drückte mein Auge in den Spion. »Nein. Mrs. Bestler ist es nicht.« Mrs. Bestler hatte keine rote Mähne wie Little Orphan Annie. Mrs. Bestler trug niemals hautenges schwarzes Leder. Mrs. Bestlers Brüste waren nicht geformt wie Eistüten.
Ich drehte mich nach Morelli um. »Ich kann dich wohl nicht überreden, zwei Minuten im Schlafzimmer zu warten …«
»Nie im Leben«, antwortete Morelli. »Das laß ich mir doch nicht entgehen.«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher