Aller guten Dinge sind vier
von Sugar. Sugar hatte ein blutrotes Satinkleid an, das saß wie eine zweite Haut. Es war kurz und eng und vorn so glatt, daß ich vermutete, er müsse sich einer Operation unterzogen haben. Sein Make-up war makellos. Die Lippen waren voll und leicht aufgeworfen, in einer Glanzfarbe passend zum Kleid geschminkt. Er trug die Marylin-Perücke und sah so phantastisch aus, wie ich an meinem besten Tag nicht aussehen kann. Ich warf einen verstohlenen Blick auf Morelli. Er war offensichtlich ebenso fasziniert wie ich. Ich wandte mich wieder Sugar zu, und da ging mir blitzartig ein Licht auf.
»Die Frau in der Bar war Sugar«, flüsterte ich Morelli zu. »Es war eine andere blonde Perücke, aber ich bin ganz sicher, daß es Sugar war.«
»Na hör mal! Er hat direkt vor dir gestanden, und du hast ihn nicht erkannt?«
»Es ging alles so schnell, und der Saal war dunkel und voller Menschen. Außerdem, schau ihn dir doch an! Er ist umwerfend.«
Sugar entdeckte uns drei, sprang auf und nannte Sally eine undankbare Schlampe.
»Scheiße, was quatscht er denn da?« fragte Sally. »Muß man nicht ne Frau sein, um ne Schlampe zu sein?«
»Du
bist
ne Frau, du Blödmann«, sagte einer der anderen Transvestiten.
Sally packte sein Gemächte und lupfte es ostentativ.
»Ich hätt Sie gern mal unter vier Augen gesprochen«, sagte Morelli zu Sugar.«
»Sie gehören nicht hierher, und ich red nicht mit Ihnen«, gab Sugar zurück. »Das hier ist die Künstlergarderobe. Machen Sie, daß Sie rauskommen.«
Mit drei Schritten war Morelli bei Sugar und drängte ihn in eine Ecke. So standen sie ein paar Minuten und redeten, dann trat Morelli zurück. »Hat mich gefreut, euch alle kennenzulernen«, sagte er zu den anderen Bandmitgliedern, die in verlegenem Schweigen von einem Fuß auf den anderen traten. »Bis später«, fügte er zu Sally gewandt hinzu.
Als wir gingen, lehnte Sugar immer noch in der Ecke, und seine Augen klein und glashart, paßten nicht in sein Baby-Doll-Gesicht.
»Hey, was hast du denn zu dem gesagt?« fragte ich.
»Ich hab ihn gefragt, ob er was mit den Feuerbomben zu tun hat.«
»Und – was hat er gesagt?«
»Nicht viel.«
»Als Frau ist er jedenfalls sehr dekorativ.«
Morelli anwortete mit einem ungläubigen Kopfschütteln.
»Ich hab echt einen Moment lang nicht gewußt, ob ich ihm die Fresse polieren oder ihn fragen soll, ob er mal mit mir ausgeht.«
»Bleiben wir und schauen uns die Band an?«
»Nein«, antwortete Morelli. »Wir gehen raus auf den Parkplatz und schauen uns den Mercedes an. Und danach werden wir Sugar überprüfen.«
Der Mercedes war sauber. Sugar ebenso. Keine Vorstrafen für Gregory Stern. Als wir nach Hause kamen, standen zwei Streifenwagen vor Morellis Haus und ein paar Leute standen rum und gafften. Morelli stellte den Pick-up ab, stieg aus und ging zum nächststehenden Beamten, der zufällig Carl Constanza war.
»Wir haben auf dich gewartet«, sagte Carl. »Ich wußte nicht, ob wir dir ein paar Bretter vors Fenster nageln sollen.«
»Nein, nein, für heute nacht geht’s so, und morgen hol ich einen Glaser.«
»Fährst du mit rein oder machst du die Meldung morgen?«
»Morgen.«
»Glückwunsch«, sagte Constanza zu mir. »Ich höre, du bist schwanger.«
»Ich bin
nicht
schwanger.«
Constanza nahm mich in den Arm und beugte sich ganz nahe zu mir. »Wärst du’s gern?«
Ich verdrehte nur die Augen.
»Okay. Aber denk an mich, falls du dir’s anders überlegen solltest.«
Ein alter Mann im Bademantel trat zu Morelli und puffte ihn mit dem Ellbogen. »Genau wie in alten Zeiten, was? Ich weiß noch, wie sie Ziggy Kozaks mit ihren Maschinengewehren durchlöchert haben, bis er nur noch ausgesehen hat wie Emmentaler. Junge, ich sag Ihnen, das waren noch Zeiten.«
Morelli ging ins Haus, holte die Feuerbombe und gab sie Constanza. »Laß die Flasche nach Fingerabdrücken untersuchen. Habt ihr in der Nachbarschaft nachgefragt, ob jemand was gesehen hat?«
»Keine Zeugen. Wir haben sämtliche Häuser abgeklappert.«
»Und der Wagen?«
»Ist bis jetzt nicht gefunden.«
Die Bullen stiegen in ihre Autos und fuhren ab. Die kleine Menschenmenge zerstreute sich. Ich ging mit Morelli ins Wohnzimmer. Einen Moment lang standen wir beide nur da und starrten auf die Glasscherben auf dem Boden.
»Es tut mir ehrlich leid«, sagte ich. »Das ist nur meine Schuld. Ich hätte nicht hierherkommen sollen.«
»Ach, mach dir nichts draus«, erwiderte Morelli. »Das Leben fing sowieso an,
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