Aller guten Dinge sind vier
sich an. »Mit dem Wagen ist man in einer lumpigen Sekunde auf hundert.« Er ließ den Motor an und katapultierte uns vom Bordstein weg.
»Hey!« rief ich. »Wir sind hier in einer Wohngegend. Nicht so schnell!«
Sally warf mir durch seine gespiegelte Sonnenbrille einen Blick zu. »Ich fahr aber gern schnell! Geschwindigkeit ist was Tolles.«
Ich stemmte mich mit den Händen gegen das Armaturenbrett. »Stoppschild! Stoppschild!«
»Der steht auf der Stelle«, sagte Sally und latschte auf die Bremse.
Ich flog gegen den Schultergurt. »Mensch!«
Sally tätschelte mit liebevoller Hand das Lenkrad. »Dieser Wagen ist das totale technische Superevent.«
»Sind Sie auf Drogen?«
»Quatsch. Doch nicht so früh am Tag«, versetzte Sally. »Wofür halten Sie mich? Für einen Penner?«
Er bog in die Hamilton Street ein und brauste zum ›Kurz und Schnittig‹. Er parkte und musterte den Laden über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg. »Der letzte Schrei.«
Dolly hatte das Erdgeschoß ihres einstöckigen Hauses zum Friseursalon umfunktioniert. Ich war als kleines Mädchen regelmäßig hier gewesen, um meine Stirnfransen geschnitten zu bekommen, und seitdem hatte sich nichts verändert. Mittags oder samstags war der Laden immer rammelvoll. Da es noch relativ früh am Morgen war, saßen nur zwei Frauen unter den Hauben; Myrna Olsen und Doris Zayle.
»Hallo, hallo«, schrie Myrna, um das Brummen der Trockner zu übertönen. »Ich hab grade das von deiner Hochzeit mit Joseph Morelli gehört. Herzlichen Glückwunsch.«
»Ich hab immer gewußt, daß ihr beide mal heiraten würdet«, erklärte Doris und schob die Trockenhaube über ihrem Kopf hoch. »Ihr seid füreinander geschaffen.«
»Hey, ich hab gar nicht gewußt, daß ihr verheiratet seid«, sagte Sally. »Klasse!«
Alle starrten Sally an. Nie kamen Männer ins ›Kurz und Schnittig‹. Und Sally sah heute fast wie ein richtiger Mann aus – bis auf den Lippenstift und die glitzernden Ohrgehänge.
»Das ist Sally«, stellte ich vor.
»Nur keinen Streß«, sagte Sally und begrüßte die Damen mit hocherhobener Rapperfaust. »Ich hätt gern Maniküre. Meine Nägel sind echt im Eimer.«
Sie starrten ihn verwirrt an.
»Sally ist Transvestit«, erklärte ich.
»Na so was«, sagte Myrna. »Stellt euch das vor!«
Doris beugte sich neugierig vor. »Tragen Sie Frauenkleider?«
»Meistens Röcke«, antwortete Sally. »Für Kleider ist meine Taille zu lang. Sie schmeichelt mir nicht. Ich hab natürlich ein paar lange Roben. Bei langen Kleidern ist das was andres. In einem langen Kleid sieht jeder gut aus.«
»Als Transvestit führt man doch sicher ein wahnsinnig aufregendes Leben«, sagte Myrna.
»Na ja, es ist ganz okay, aber wenn sie anfangen, einen mit Bierflaschen zu beschmeißen, wird’s unangenehm«, sagte Sally. »Wenn man da eine abkriegt, ist das gar nicht lustig.«
Dolly begutachtete meine Haare. »Was hast du denn da gemacht? Das sieht ja aus, als hätten sie dir die Haare büschelweise ausgerissen.«
»Sie waren mit Ei verklebt und sind ganz hart geworden, und da mußte ich mir die Stellen rausschneiden lassen.«
Myrna und Doris sahen einander augenrollend an und krochen wieder unter ihre Hauben.
Eine Stunde später stiegen Sally und ich wieder in den Porsche. Sally hatte kirschrote Fingernägel, und ich sah aus wie Großmama Mazur. Ich schaute in den Spiegel an der Sonnenblende und hätte am liebsten losgeheult. Mein von Natur aus lockiges Haar war kurzgeschnitten, und perfekt gedrehte Lokkenröllchen bedeckten meinen ganzen Kopf.
»Ätzend«, sagte Sally. »Das sieht ja aus wie lauter gottbeschissene Hundewürstchen.«
»Sie hätten mir sagen sollen, was sie da machte!«
»Ich hab nichts gesehen. Ich hab gewartet, daß meine Nägel trocken werden. Die Maniküre ist echt eins A.«
»Fahren Sie mich zu Joe. Ich hol mir meine Pistole und geb mir die Kugel.«
»Ach was, die ganze Schose muß nur ’n bißchen aufgelockert werden«, erklärte Sally. Er langte mit einer Hand zu mir rüber. »Kommen Sie, ich mach es Ihnen. So was kann ich gut.«
Ich schaute wieder in den Spiegel, als er fertig war. »Igitt!« Ich sah aus wie Sally.
»Na also, ich hab’s Ihnen doch gesagt«, meinte er. »Ich kann das. Ich hab ja auch Naturlocken.«
Na ja, besser als die Hundewürstchen war es auf jeden Fall.
»Vielleicht sollten wir mal nach Nord-Trenton rüberfahren«, schlug ich vor. »Nach Eddie Kuntz sehen. Womöglich sitzt er seelenruhig in seiner Küche
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