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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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die Ahnen sind überall, sie sehen alles und wissen alles. Ihr könnt ihnen nicht entkommen. Die Ahnen rufen nach Rache. Wenn Ihr Euch uns weiterhin widersetzt, wird der Zorn des Großen Geistes Euch zerstören. Erwägt das sorgfältig.
    Der dritte Brief schließlich datiert von Oktober und lautet einfach nur:
    Ihr seid unserer Aufforderung nicht nachgekommen. Nun müsst Ihr die Konsequenzen tragen. Ihr habt unsere Toten entehrt. Nun werden die Toten sich an Euch rächen. Wir werden kommen, Euch zu holen. Wir werden Euch in der Traumzeit holen.
    Nelson sieht Smith an, der seine Lesebrille abgenommen hat und sich die Nasenwurzel reibt.
    «Lord Smith, fällt Ihnen irgendetwas dazu ein, wer diese Briefe geschickt haben könnte?»
    Smith schweigt. Draußen wiehert ein Pferd, man hört eine Frau lachen. Die silbernen Pokale glänzen in der Herbstsonne.
    «Wir haben da ein paar Köpfe», sagt Lord Smith schließlich. «Im Museum.»
    «Köpfe?»
    «Schädel von Aborigines. Mein Urgroßvater hat sie seinerzeit erworben. Früher wurden sie auch ausgestellt, aber inzwischen halten wir sie unter Verschluss. Vor etwa einem Jahr bekam ich einen Brief von einer Gruppe, die sich die ‹Elginisten› nennt. Sie forderte die Rückgabe der Schädel. Die müssten zurück nach Australien und im Land ihrer Ahnen beerdigt werden … damit sie in die Traumzeit eingehen können oder irgend so ein Unsinn. Ich habe sie natürlich eiskalt auflaufen lassen. Die Schädel haben meinem Urgroßvater gehört. Sie sind sehr kostbar. Einer wurde sogar zum Trinkgefäß umfunktioniert. Ich kann sie doch nicht einfach einem Haufen Spinner überlassen. Es sind schließlich wertvolle Kunstgegenstände, die entsprechend konserviert werden müssen.»
    «Haben Sie den Brief noch?»
    «Keine Ahnung. Ich kann mal nachsehen.» Smith erhebt sich und fängt an, in einem stählernen Aktenschrank zu wühlen. Unter was legt man so etwas wohl ab, fragt sich Nelson. Unter S wie Spinner? Oder unter I wie Ignorieren?
    «Da ist er.» Smith legt ein einzelnes Blatt vor Nelson auf den Tisch.
    Der Brief unterscheidet sich deutlich von denen aus Neil Tophams Schreibtisch. Vor allem ist er nicht handgeschrieben, sondern auf einem Bogen mit Briefkopf ausgedruckt, einem Logo, das aussieht, als stünde der Mond über einem mäandernden Flusslauf.
    Verehrter Lord Smith,
    wir wenden uns an Sie im Namen der Elginisten, einer Gruppe, die sich der Rückführung heiliger Kunstgegenstände verschrieben hat. Uns wurde zugetragen, dass sich in Ihrem Museum derzeit vier Schädel australischer Ureinwohner befinden, die dem Land ihrer Ahnen gewaltsam entrissen wurden. Wie Sie sicherlich wissen, gehört es zu den wichtigsten Glaubenssätzen australischer Ureinwohner, dass die Überreste ihrer Ahnen zu Mutter Erde zurückkehren müssen, um in die Traumzeit einzugehen und damit den Kreislauf der Natur vollenden zu können. Wir bitten Sie mit allem Respekt, die Schädel zurückzugeben, da sie rechtswidrig entfernt wurden und Ihnen und Ihrer Familie damit nur Unglück bringen können. Seien Sie gewarnt: Die Große Schlange wird ihre Rache fordern.
    Bitte kontaktieren Sie uns unter obiger Anschrift, um die Rückführung in die Wege zu leiten.
    Der Brief ist nicht unterschrieben, nur mit «Vorstand der Elginisten» gezeichnet.
    Nelson sieht Smith an. «Haben Sie darauf geantwortet?»
    «Nein.» Smith macht ein hochnäsiges Gesicht. «So etwas ist mir doch nicht mal eine Antwort wert. Wenn man solche Leute mit Nichtachtung straft, geben sie auch wieder auf. Das habe ich über die Jahre gelernt.»
    «Haben sie denn wieder aufgegeben?»
    «Davon bin ich ausgegangen. Sie haben mich zumindest nicht mehr kontaktiert.»
    «Wussten Sie, dass Neil Topham diese Briefe bekommen hat?»
    «Nein.» Smith wirkt ehrlich erschüttert, doch Nelson glaubt, noch etwas anderes wahrzunehmen. Zorn? Angst? «Ich bin offen gestanden erstaunt, dass Neil mir nichts davon erzählt hat», fährt er fort. «Wir haben uns jede Woche besprochen. Ich dachte immer, wir hätten eine gute Arbeitsbeziehung. Ich habe ihm vertraut.»
    «Hat Neil irgendwie verstört gewirkt, als Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen haben? Oder besorgt?»
    «Gar nicht. Wir haben uns über Bischof Augustine unterhalten. Er war ganz begeistert davon, die Überreste des Bischofs im Museum zu haben.»
    Nelson überfliegt den Brief noch einmal. Oberflächlich betrachtet hat er nichts Bedrohliches an sich, wenn man einmal von dem «Unglück» absieht, das der
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