Aller Heiligen Fluch
Tod des Museumsdirektors. Neil schien so ein netter Kerl zu sein, etwas nervös vielleicht, aber doch von Grund auf anständig, hochintelligent und sehr darauf erpicht, das Smith-Museum in eine moderne, «interaktive» Einrichtung zu verwandeln (was immer er damit genau gemeint hat). Aber jetzt lebt Neil nicht mehr, hat tot neben dem Sarg von Danforths illustrem Vorfahren gelegen. Lastet ihm diese scheußliche Szene noch so auf dem Gemüt? Der Sarg und die Schlange.
Die Große Schlange wird ihre Rache fordern.
Unfug, versteht sich. Neil ist eines natürlichen Todes gestorben. Tief tragisch, sicher, aber das Leben geht weiter. Er wird den Eltern eine größere Summe zur Verfügung stellen, damit sie in Neils Namen ein Forschungsstipendium oder etwas Ähnliches einrichten können. Damit sein Andenken weiterlebt. Danforth windet sich unruhig unter der Bettdecke. Warum kann er bloß nicht einschlafen?
Er sorgt sich um Caroline. Auch wenn er Nelson gegenüber behauptet hat, Caroline habe ihm nie auch nur einen Tag Sorgen bereitet, sieht es mit den Nächten doch ganz anders aus. Immer, wenn er nicht schlafen kann, sieht er Carolines Gesicht vor sich, vorwurfsvoll und leicht verärgert. Was hat sie bloß für einen Grund, ärgerlich auf ihn zu sein? Er hat doch immer nur sein Bestes getan, obwohl es mit den Kindern oft alles andere als einfach war. Tamsin war immer die Kluge, nur die besten Noten, ein Abschluss in Jura, jetzt eine erfolgreiche Karriere. Sie war schon als Kind organisiert, ein Mädchen, das sich seinen Prüfungsvorbereitungsplan mit vier verschiedenfarbigen Filzstiften schrieb. Randolph war ganz anders: blitzgescheit, wenn er sich Mühe gab, unverschämt beschränkt, wenn er nicht wollte. Aber selbst er hat es durchs Studium geschafft, auch wenn man sich jetzt fragen muss, was er damit anfangen will. Dass er so gut aussieht, macht es nur noch schlimmer. Sein Leben lang haben sich Lehrerinnen, Klassenkameradinnen und später dann Freundinnen krumm und schief gelegt, um ihn irgendwie in Schutz zu nehmen.
Vor solchen Problemen steht Caroline nicht. Im Grunde sind Tamsin und sie einander sehr ähnlich – markant, aber nicht eigentlich schön –, doch während Tamsin ihr dunkles Haar immer ordentlich hochsteckt, trägt Caroline ihres meist offen und ungekämmt. Und während Tamsin sich stets elegant kleidet, läuft Caroline in Reithosen oder in merkwürdigen Hippie-Gewändern herum. Und sie ist so schrecklich ernsthaft – ständig echauffiert sie sich über irgendetwas: Tierquälerei, das Abschieben alter Rennpferde nach Belgien, das Aussetzen von Windhunden und die uralten Vergehen an jeder gottverdammten Volksgemeinschaft auf Erden. Ihre Schulzeit war ein nicht enden wollendes Drama aus Tränen und Tobsuchtsanfällen und leidenschaftlichen Liebes- oder Abscheubekundungen. Caroline hat nicht studiert; stattdessen ist sie um die Welt gereist und mit einer langen Liste von neuen Dingen, für die man sich engagieren kann, zurückgekehrt. Alles gut und schön – nur warum sieht sie ihn dabei ständig an, als wäre er für alle Übel dieser Welt verantwortlich? Hat er die Indianer etwa eigenhändig ausgerottet? Und warum hat Caroline eigentlich keinen Freund? Ständig treibt sie sich mit dieser Frau von der Uni herum, der mit den raspelkurzen Haaren. Vielleicht ist sie ja … Doch so weit reicht Danforths Vorstellungskraft dann doch nicht.
Seufzend geht er nach unten, um sich einen Kakao zu machen. Ein Schuss Brandy dazu kann auch nicht schaden.
Randolph ist in einer Bar, die sich grundlegend von Carolines Pub unterscheidet. Hier ist das Licht schummrig, und es herrscht eine gediegene Atmosphäre. Zwei bullige Türsteher halten dahergelaufenes Gesindel davon ab, hinter das goldene Absperrband vorzudringen. Randolph kippt ein Glas Champagner, ohne weiter darauf zu achten, als wäre es Medizin. Das erste Glas gibt es immer umsonst, als Entschädigung für die Tatsache, dass jedes weitere Getränk etwa so viel kostet wie eine Dreizimmerwohnung (mit Garage). Auch auf die Preise achtet Randolph nicht weiter. Es ist ja genug auf der Bank, und falls einmal nicht, wozu gibt es denn Dispokredite? Er denkt an Clary, seine aktuelle Freundin. Sie hat die unschöne Angewohnheit entwickelt, ihn jeden Montagabend anzurufen. Dabei sind Montagabende doch sakrosankt. Außerdem redet sie gefährlich oft davon, seine Eltern kennenlernen zu wollen. Sonntagsessen daheim mit Mummy und Daddy: Dad, der über die Heupreise
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