Aller Heiligen Fluch
nicht.» Cathbads Neugier ist eindeutig geweckt.
«Stand das Fenster offen?»
«Ich weiß nicht … Nein, jetzt fällt mir wieder ein, dass ich noch dachte, wie heiß es dort ist.»
«Heiß?»
Cathbad sieht ihn unschuldig an. «Ja, heiß. Stickig.»
«Was hast du sonst gemacht?»
«Ich bin zum Sarg gegangen, habe ein Gebet an die guten Geister gesprochen. Dann habe ich mich kurz im Saal umgeschaut. Da ist eine Darstellung des Henge an der Wand.»
«Hast du den hier schon mal gesehen?» Nelson hält ein Exemplar des Museumsführers hoch. Es ist nicht das Buch, das neben dem Toten lag (das ist noch bei der Spurensicherung), aber es ist auf derselben Seite aufgeschlagen.
«Das ist doch aus dem Museum, oder?»
«Schau dir die Seite an. Hat das irgendeine Bedeutung für dich?»
«Die Familie Smith», liest Cathbad mit höflich interessierter Stimme vor, «ist bereits seit dem Mittelalter in Norfolk ansässig. Das erste nachgewiesene Familienmitglied ist Augustine, der von 1340 bis 1362 Bischof von Norwich war. Bischof Augustine war aufgrund seiner Wohltätigkeitsarbeit sehr beliebt, und nach seinem Tod kamen Hunderte, um seiner aufgebahrten Leiche die letzte Ehre zu erweisen. In der Kathedrale von Norwich findet sich eine Statue von ihm. Im 16 . Jahrhundert war Thomas Smith König Heinrich VIII . bei der Auflösung der Klöster behilflich und wurde dafür 1538 mit der Abtei Slinden, einem ehemaligen Kloster, belohnt. Unter der Herrschaft Maria Tudors bekehrte sich Thomas zum Katholizismus, wurde dann aber unter Elisabeth I . wieder zum loyalen Protestanten. 1560 wurde er in den Adelsstand erhoben. Im Bürgerkrieg war Slinden Schauplatz einer ungewöhnlich blutigen Schlacht und wurde daraufhin in Slaughter Hill umbenannt. Lord Edmund Smith, der auf Seiten der Königstreuen kämpfte, fiel in dieser Schlacht. Weitere bekannte Mitglieder der Familie sind Hubert Smith, der als Schauspieler für Sir Herbert Beerbohm Tree auf der Bühne stand, sowie Sir Gilbert Smith, Parlamentsmitglied der Konservativen in der Regierung Anthony Edens. Der aktuelle Lord Smith ist erfolgreicher Trainer und Besitzer von Rennpferden.»
Die Worte «Tod», «Leiche» und «Slaughter Hill» sind unterstrichen.
«Faszinierende Familie», bemerkt Cathbad.
«Hast du dieses Buch mit diesen Unterstreichungen schon mal gesehen?»
Cathbad, der sich gerade in den abgebildeten Stich der Abtei Slinden vertieft hat, blickt auf. «Nein. Wieso?»
«Es lag in dem Saal, neben Neil Tophams Leiche.»
«Als ich dort war, lag es da noch nicht.»
Nelson sieht Cathbad durchdringend an, doch der erwidert seinen Blick nur mit großen, unschuldigen Augen. Über ihren Köpfen funkeln die Traumfänger.
«Was hast du gemacht», fragt Nelson, «nachdem du den Saal für Lokalgeschichte wieder verlassen hattest?»
«Mich noch kurz in den anderen Sälen umgeschaut und dann ein paar Freunde zum Mittagessen getroffen.»
«Die Namen und Adressen kannst du Detective Sergeant Johnson übermitteln.»
«Mit Vergnügen.»
Cathbad lächelt Judy an, die sich wieder angelegentlich mit ihrem Handy beschäftigt. Und Nelson fragt: «Cathbad, bist du Mitglied bei den Elginisten?»
Cathbad antwortet ohne Zögern. «Ja, bin ich.»
Nelson fängt an, bis zehn zu zählen, gibt aber bei fünf auf.
«Und du hast es nicht für nötig gehalten, das zu erwähnen?»
«Du hast mich nicht gefragt.»
«Hast du den Brief geschrieben, in dem Lord Smith gebeten wird, die Aborigine-Knochen zurückzugeben?»
«Ich gehörte zu denen, die ihn formuliert haben, ja.»
«Kannst du mir auch die Namen der anderen geben?»
«Ich denke schon. Wir haben nichts zu verbergen. Unsere Gruppe arbeitet ganz offen und legal. Wir haben sogar eine Website.»
Das besagt gar nichts, so viel weiß selbst Nelson. Heutzutage hat doch jeder Spinner seine eigene Website. Er beugt sich vor, um Cathbad dazu zu bringen, ihn ernst zu nehmen. Doch der mustert weiterhin Judy und lächelt sein nervtötendes Lächeln.
«Cathbad, hast du oder hat irgendjemand sonst aus der Gruppe jemals Briefe an Neil Topham geschrieben?»
Cathbad lächelt immer noch. «An Neil? Nein. Nicht dass ich wüsste. Wieso?»
«Weil er Drohbriefe erhalten hat. Handgeschriebene Drohbriefe.» Nelson blickt Cathbad starr an; er denkt an andere handgeschriebene Briefe mit Todesdrohungen, die in blumig-poetischer Sprache abgefasst, aber dadurch nicht weniger verstörend waren. Cathbad senkt als Erster den Blick.
«Ich weiß nichts von
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