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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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hat.
    «Dann hat Ihr Mann also von dieser Kutsche geredet», sagt er laut. «War das im Fieberwahn?»
    «Ich glaube schon. Er sagte immer wieder, die Kutsche käme ihn holen, und er hat ständig von einer Schlange gesprochen.»
    «Eine Schlange?»
    «Er meinte, da wäre eine Schlange bei ihm im Bett. Er könnte ihre Augen sehen. Immer wieder hat er von den glühenden Augen geredet.»
    «Und was haben Sie gemacht?»
    «Ich habe ihm die Stirn gefühlt. Er war glühend heiß, da habe ich den Arzt angerufen. Danach habe ich versucht, Dan kalt abzuwaschen, ihn dazu zu bringen, etwas Wasser zu trinken, aber er war völlig außer sich, er hat geschrien und … und geweint.»
    «Wann war das?»
    «Gegen Mitternacht.»
    «War sonst noch jemand im Haus?»
    «Ich war unterwegs», sagt Randolph leicht verlegen. «Ich bin etwa gleichzeitig mit dem Arzt gekommen. Ich konnte gar nicht fassen, in was für einem Zustand Dad war.»
    «Ihr hättet mich holen sollen.» Caroline schluchzt.
    «Entschuldige.» Ihre Mutter fasst nach ihrer Hand. «Aber wir konnten ja nicht ahnen, wie schlimm es ist. Es ging alles so schnell.»
    «Was hat der Arzt gesagt?»
    «Er meinte, wir müssten Danforth ins Krankenhaus bringen. Er wäre dehydriert und müsste an den Tropf. Er hat einen Krankenwagen gerufen. Der kam auch sehr schnell, aber auf dem Weg ins Krankenhaus ist Dan gestorben.»
    Genau wie Neil Topham, denkt Nelson. Noch ein Mann, der sich eben noch bester Gesundheit erfreut und im nächsten Moment tot ist. Auch das mit der Schlange gefällt ihm nicht. Kein bisschen gefällt ihm das. Ein Satz aus einem der Briefe kommt ihm in den Sinn.
Wir werden kommen, Euch zu holen. Wir werden Euch in der Traumzeit holen.
    «Wurde eine Todesursache genannt?», fragt er. «Es tut mir leid, ich weiß, wie schwer das für Sie ist.»
    «Die Sanitäter meinten, Herzinfarkt, aber im Krankenhaus hieß es dann, es könnte auch ein Lungeninfekt gewesen sein.»
    Es wird eine Autopsie geben müssen, denkt Nelson. Sicher, Danforth Smith kann durchaus eines natürlichen Todes gestorben sein – ein Herzinfarkt macht schließlich vor niemandem halt. Aber zwei verdächtige Todesfälle innerhalb von sechs Tagen, die beide mit dem Museum zusammenhängen?
    «Hatte Lord Smith Herzprobleme?», fragt er.
    «Nein.» Romilly wirkt für ihre Verhältnisse erschöpft. Sie lehnt sich auf dem Sofa zurück und schließt die Augen. «Er hatte immer eine echte Rossnatur.» Sie lacht traurig. «Aber Pferde waren ja auch sein Leben. Vielleicht hat er einfach zu viel gearbeitet. Ich weiß es nicht.»
    «Er war doch Diabetiker, nicht?», fragt Nelson.
    Romilly sieht ihn erstaunt, fast schon ärgerlich an. «Woher wissen Sie das denn?»
    «Er hat es mir erzählt. Als ich hier war, um mit ihm über Neil Tophams Tod zu sprechen.»
    «Sie glauben doch nicht, dass es einen Zusammenhang zwischen Dans Tod und dem jungen Mann aus dem Museum gibt?», fragt Romilly. «Es wäre doch absurd zu behaupten …»
    «Ich behaupte gar nichts», unterbricht Nelson, «aber ich habe hier zwei völlig unerwartete Todesfälle innerhalb einer Woche. Sie werden mir sicher zustimmen, dass ich dem nachgehen muss. Aber es kann ebenso gut sein, dass Ihr Mann eines natürlichen Todes gestorben ist. Ich werde Sie jetzt allein lassen, Sie haben bestimmt genug von der Fragerei. Meine Mitarbeiterin wird in ein paar Minuten hier sein. Würden Sie ihr dann bitte die Überwachungsaufnahmen von gestern Abend zeigen? Sie haben doch sicher Überwachungskameras?»
    «Ja», sagt Caroline. «Aber ich hätte doch gemerkt, wenn jemand gekommen wäre. Ich wohne gleich am Tor.»
    «Haben Sie den Arzt kommen hören und den Krankenwagen?»
    «Nein. Die kamen von der anderen Seite. Vom alten Haus her.»
    «Dann wäre es also denkbar, dass jemand von dort gekommen ist?»
    «Glauben Sie wirklich, dass jemand hier eingedrungen ist und ihn … vergiftet hat oder so was?», fragt Caroline.
    Interessante Schlussfolgerung, denkt Nelson. Sein Motto lautet allerdings: keine vorschnellen Schlüsse.
    «Es ist nicht sehr wahrscheinlich», sagt er. «Ich will einfach nur sichergehen, dass wir auch wirklich nichts übersehen.»
    Und was übersieht man schnell, denkt er bei sich, während er unter den neugierigen Blicken der Pferde und den ungerührten Blicken der Stallburschen durch die Stallungen zurückgeht – was übersieht man, weil es sich zum Beispiel unter einem unauffälligen Stein versteckt hält?
    Eine Schlange.

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