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Allerliebste Schwester

Titel: Allerliebste Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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lächelt. »Da bist du.« Ein kurzes Zögern, dann schüttelt er ihre Hand. Etwas formell, denkt sie. Aber andererseits ist er ja auch nicht mehr als ein Fremder. Auch, wenn es sich anders anfühlt. Ein Blick in seine blassblauen Augen reicht, wieder diese eigenartige Nähe herzustellen.
    »Sollen wir einen Spaziergang machen?«, fragt er.
    »Gern.«
    »Zur Alster ist es nicht weit«, erklärt er, als wüsste sie das nicht. Sie gehen los. Schweigend gehen sie nebeneinander her. Er im dunkelblauen Colani. Sie auf rosafarbener Watte.
     
    »Tut mir leid, dass ich damals so einfach verschwunden bin«, fängt Simon an, als sie schließlich auf einer Bank an der Alster sitzen. »Ich war einfach total überrascht,
dich im Laden zu sehen, das war wie ein Schock für mich, verstehst du?«
    »Woher kanntest du meine Schwester?«
    »Natürlich aus dem Buchladen«, erklärt er und sieht hinüber zu den Villen, die auf der anderen Seite des Ufers stehen. »Ich habe mal ganz in der Nähe gewohnt und bin durch Zufall irgendwann in den Laden gestolpert. Danach war ich öfter da und habe mich von Marlene beraten lassen.«
    »Hm.« Mehr sagt sie nicht. Beraten lassen. Das klingt … unpassend. Auch Simon schweigt; den Blick nachdenklich auf die Büsche am Ufer gerichtet, hängt er seinen Gedanken nach. »Aber du hast gewusst, dass sie tot ist?« Simon nickt.
    »Ja.« Er steht auf und schlendert weiter, Eva folgt ihm, und als sie neben ihm ist, wirkt Simon wieder deutlich kleiner als noch Minuten zuvor, die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen ist zurück. »Ich war im Geschäft, um nach Marlene zu fragen. Da habe ich es dann erfahren, ihre Chefin hat es mir erzählt.«
    »Gabriele«, stellt Eva fest.
    »Ja, ich glaube, so heißt sie.« Er mustert Eva von der Seite. »Du hast dann den Job von Marlene übernommen?«
    »Hm«, erwidert sie unbestimmt. »Und du? Du wohnst jetzt nicht mehr in der Nähe?«
    »Nein«, sagt er und geht nicht darauf ein, dass sie seine Frage nicht beantwortet hat. »Ich bin Architekt«, erklärt er, »und war die letzten Jahre im Ausland.«

    »Im Ausland?«
    »Erst ein Projekt in Chicago, dann war ich ein Jahr in Hongkong, anschließend in Brasilien. Vor zwei Monaten bin ich zurückgekehrt, weil ich hier wieder einen Auftrag habe. Eine große Wohnanlage im Norden.« Während er spricht, unterstreicht er seine Worte mit Gesten. Sie betrachtet seine Hände, die Gebäude in die Luft zeichnen.
    Gepflegte schmale Hände. Architekt also, denkt sie. Und wünscht sich, er würde diese Hände an sie legen und aus ihr auch ein Gebäude machen. Ein großes, massives Gebäude, von meterdicken Stahlträgern durchzogen. Etwas, das nicht einstürzen kann, das den Erschütterungen des Lebens trotzt.
    »… in einem Monat beginnen wir mit dem Bau …«, fliegen die Worte an ihr vorüber. Und sie kann an nichts anderes mehr denken, als dass sie so gern dieses massive Gebäude wäre. Unmerklich nähert sie sich ihm immer mehr, bis sie ganz dicht neben ihm geht, ihn fast schon spüren kann. Sein Aftershave gefällt ihr, sie versucht, den Duft genau zu bestimmen, was ihr aber nicht gelingt. Sie wüsste es gern, dann würde sie sich einen Flakon davon kaufen und ihn zu dem Buch in ihre Nachttischschublade legen. Oder sie würde ihn Tobias schenken und hätte Spaß daran, dass er nicht weiß, zu wem dieser Duft gehört. Noch ein Geheimnis nur für sie allein.
    »Als ich dich«, sagt er nun, »in dem Geschäft gesehen habe, dachte ich wirklich für einen kurzen Moment, du wärst Marlene. Obwohl ich ja wusste, dass das
gar nicht möglich ist und mir auch gleich irgendetwas komisch vorkam.«
    »Komisch?« Sie muss lächeln.
    »Ja«, er zuckt mit den Schultern. »Aber dann dachte ich, dass es ja schon ein paar Jahre her ist, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe.«
    »Natürlich.«
    »Ich mochte sie«, sagt Simon. »Ich habe gern mit ihr über Bücher geredet, sie war echt unglaublich belesen und hat immer genau gewusst, was mir gefällt.«
    Eva nickt. »Als wir noch klein waren«, erzählt sie, »hat Marlene mir immer abends etwas vorgelesen. Und wenn es hieß ›Licht aus!‹ - dann haben wir heimlich weitergemacht, mit einer Taschenlampe.« Für einen kurzen Moment flackert das Bild in ihrer Erinnerung auf, Barbro und Ylva-Li kichernd unter ihren Bettdecken.
    Irgendwann bleiben sie wieder stehen, blicken erneut aufs Wasser.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagt Simon, »dass sie wirklich tot ist.«
    »So etwas ist

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