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Allerliebste Schwester

Titel: Allerliebste Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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verbunden ist. Und sie könnte wetten, dass sich darunter keine Wunde, nicht der geringste Kratzer,
verbirgt. Pflaster aus dem Verbandskasten, was für ein Witz! Hofft er wirklich, dass sie ihm das glaubt? Ein Kontrollanruf war es, nichts weiter, da ist sie sich ganz sicher.
    »Der Schlüssel hängt wie immer am Brett in der Küche«, sagt sie.
    »Dann sehen wir nach.« Er marschiert Richtung Küche, sie geht ihm folgsam hinterher, in der Gewissheit, dass der Schlüssel wie immer an seinem Haken baumeln wird. Doch der Haken ist leer.
    »Oh«, sagt Eva, als sie es bemerkt. »Das verstehe ich nicht.« Sie lässt ihren Blick über das Schlüsselbrett wandern, er ist nirgends zu sehen.
    »Da!«, stellt Tobias dann fest und deutet auf das Sideboard darunter. Der Schlüssel lugt unter dem Möbelstück hervor.
    »Na, sowas! Ist das Ding doch tatsächlich irgendwie runtergefallen und unter den Schrank gerutscht, einfach so. Welch ein Missgeschick!« Sie lacht, über diese Posse, dieses Schmierentheater könnte sie sich wahrhaft königlich amüsieren. Eva an seiner Stelle hätte sich etwas Besseres überlegt, als den Autoschlüssel halb unter die Kommode zu schieben. Einfallsreichtum war noch nie seine Stärke, fast ein Hohn, dass ausgerechnet Tobias eine Werbeagentur betreibt. Mit Zahlen, ja, da kennt ihr Mann sich aus, im Abrechnen ist er - so wie ihre Mutter - ein Meister. Aber was die Kreativität betrifft, lassen seine Fähigkeiten doch sehr zu wünschen übrig. Hätte er mal sie, Eva, gefragt.
    »Darum geht es jetzt auch gar nicht«, befindet Tobias.
Ach so, ja richtig, der Chef sagt, worum es geht, natürlich. Eva lehnt sich mit dem Rücken gegen das Sideboard, legt das Buch hinter sich auf die Ablage, verschränkt die Arme vor der Brust und wartet auf seine Erklärung »Als ich dich nicht erreichen konnte, habe ich es auf Gabys Handy versucht.« Er nennt Evas Chefin sonst nie Gaby, immer nur Gabriele. Gaby und Tobi, das wäre doch ein hübsches Paar. »Irgendwann bin ich dann nervös geworden und zur ihr hingefahren. Weil ich dachte, dass vielleicht etwas nicht stimmt.«
    Ein ›Warum‹ liegt Eva auf den Lippen, aber sie spricht es nicht aus, wozu auch, es ist ja ganz offensichtlich, dass ihr Mann da irgendeine Geschichte zusammenspinnt, nur, um die offensichtliche Tatsache zu verschleiern, dass er in Wahrheit von Anfang an misstrauisch war, ihr die Sache mit der Lesung nicht geglaubt hat. »Jedenfalls«, jetzt läuft er unruhig in der Küche auf und ab, während Eva, immer noch die Ruhe selbst, einfach am Sideboard lehnen bleibt, »hat es mich sehr gewundert, dass Gabys Auto vor ihrer Haustür stand. Wo ihr doch vier Stunden davor angeblich damit losgefahren seid.« Er bleibt stehen, direkt vor ihr, sieht sie abwartend an.
    »Und?«
    »Was, und?«
    »Kannst du mir das erklären?« Sie zuckt mit den Schultern.
    »Ich nehme an, dass du es mir gleich erläutern wirst.«
    »In der Tat«, fährt er sie an, dann setzt er sein aufgeregtes
Umherwandern fort. Und rattert den Rest seiner Ermittlungen herunter:
    Dass er geklingelt und Gaby ihm geöffnet habe, dass sie sichtlich unangenehm überrascht über seinen Besuch gewesen sei, dass sie noch kurz versucht habe, ihm alles logisch zu erklären, bis sie dann zugeben musste, dass die Fahrt in die Heide nicht stattgefunden habe, aber wo Eva nun sei, könne sie ihm auch nicht sagen, sie habe sie nur ein paar Straßen weiter abgesetzt, und wo genau sie hinwollte, da müsse er schon seine Frau fragen. Wie er dann nach Hause gerast sei und von unterwegs immer wieder versucht habe, sie, Eva, zu erreichen, wie er halb wahnsinnig vor Sorge um sie geworden sei, Sorge darüber, dass sie wieder etwas Unüberlegtes anstellen könne, sogar bei ihren Eltern habe er angerufen, dieser überaus besorgte Ehemann.
    Dann die Hausdurchsuchung, überall habe er nachgesehen in der Hoffnung, einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort zu finden. Ja, und dann schließlich habe er in ihrem Nachttisch ein Astrid-Lindgren-Buch mit einer Widmung und einer Telefonnummer entdeckt und sich darauf keinen rechten Reim machen können. Natürlich habe er auch dort angerufen, aber wieder sei nur eine Mailbox angesprungen, auf die er gesprochen und nach seiner Frau gefragt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Eva teilnahmslos den Worten ihres Mannes gelauscht - aber jetzt kommt Leben in sie.
    »Du hast eine Nachricht hinterlassen?«
    »Ich habe gesagt, dass ich meine Frau suche und ihn darum bitte, sich zu melden, falls

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