Alles auf Anfang! (German Edition)
fand sie solche Szenen im
Film schon reichlich übertrieben. In ihrem Kopf überschlugen sich die Bilder.
Das eben Gesehene verknüpfte sich in ihrer Phantasie mit ihrem Erlebnis vom
Samstagnachmittag. Plötzlich war sie diejenige welche! Was sie gesehen hatte,
war ihr so peinlich. Sie hatte doch angeklopft und wahrscheinlich das lustvolle
Stöhnen mit der Aufforderung des Eintretens verwechselt. Wieso musste ihr das
passieren?
Das kalte Wasser, was über ihre Handgelenke
rann, tat ihr gut. Schnell füllte sie ihr Hände mit dem kühlen Nass und erfrischte
ihr Gesicht. Nachdem sie sich ein wenig die Haare zurecht gezupft hatte fühlte
sie sich ein wenig besser. Sie zog ihren Pullover gerade und strich ihren Rock
glatt. Heute Morgen hatte sie sich noch recht attraktiv gefunden. Dieses Gefühl
war wie weggeblasen. Im Vergleich zu dieser Frau in Lichtenfels Büro wirkte sie
wie ein erloschenes Licht. Wie hatte sie sich jemals einbilden können ... Naja,
war ja auch egal. Sie wollte hier ihren Job gut machen und sonst gar nichts.
Was sie gesehen hatte, würde sie schnell verdrängen.
„Es geht mich nichts an. Es geht mich
nichts an. Es geht mich absolut nichts an!“
Diesen Satz hämmerte sie in ihr Gedächtnis,
während sie in ihr Büro zurückging.
„Jo Lisa! Wos isn
los? Du
biist ja gonz kaasig!“
„Och, geht schon wieder. Mir ist nicht gut
heute!“
„Des wiard der Föhn sei, der haut eich
Preissn aus die Schua, ge?“
„Ja, wahrscheinlich!“
Lisa hatte keine Lust zu reden und wandte
sich ihrem Computer zu. Eigentlich hatte sie auch keine Lust zum Arbeiten.
Es klopfte an die Tür. Lisa war gerade
unter ihrem Schreibtisch verschwunden, um einen heruntergefallenen Bleistift
aufzuheben. Sie erkannte sofort seine Stimme.
„Guten Morgen, Herr Huber! Frau Seiler
nicht da?“
„Doch, schon! Sie ...“ Ein stumpfer Schmerz
fuhr ihn in seine Zehen. Er verstand sofort. „... ist gerade einen Kaffee holen
gegangen. Ja, das ist sie!“
Lisa schwitzte unter dem Tisch und wünschte
sich die auf hochglanzpolierten schwarzen Herrenschuhe würden schnell den Raum
verlassen.
Oh nein, er ging zu ihrem Platz!
„Gut, dann warte ich einen Augenblick. Sie
wird ja gleich wiederkommen.“
Er setzte sich auf ihren Stuhl.
Geistesgegenwärtig stand Herr Huber auf,
damit Lisa auf seiner Seite herauskrabbeln konnte. Er wusste zwar nicht, was
das zu bedeuten hatte, aber so ohne Grund würde Lisa nicht in dieser Weise
handeln. So gut kannte er sie schon.
„Behalten sie doch bitte Platz, Herr Huber
und erzählen sie mal, wie es Ihnen geht? Wie kommen sie denn mit ihrer neuen
Kollegin klar?“
„Super! Do feiht si nix. Mir kemma guad mitnander
aus!“
„Das freut mich! Sie scheint auch wirklich
eine Nette zu sein!“
Eine Nette, eine Nette! Sie wollte keine
Nette sein. Was hieß das eigentlich? Nett! Nett war der Bäcker von nebenan.
Nett war die Schuhverkäuferin zum Kunden. Nett, das bedeutete nichts anderes
als brav, wohlerzogen, unauffällig! Sie wollte nicht nett sein. Warum
bezeichnete er sie nicht als witzig, attraktiv, auffällig? Ganz klar, weil sie
es nicht war. In ihrem Leben musste sich einiges ändern. Sie wollte nicht
länger nett bleiben! Wo landete man denn mit Nettigkeit? Unterm Schreibtisch
eines Büros, zusammengesunken unter einer Last von Peinlichkeit. Warum
eigentlich? Wer sagte denn, dass sie nicht auch Lust auf Sex im Büro hatte?
Ben von Lichtenfels strich seine Krawatte
zum achten Mal glatt und schaute sichtlich nervös auf seine Maurice Lacroix.
Plötzlich sprang er auf.
„Schade, aber ich kann jetzt doch nicht
mehr länger warten. Um zehn Uhr kommt Herr Benrath zur Vertragsunterzeichnung.
Stellen Sie sich vor, Frau Benedetti hat den alten Fuchs jetzt doch noch
rumgekriegt.“
Er ging um die Schreibtische, Lisa
krabbelte geistesgegenwärtig wieder auf ihre Seite hinüber, und beugte sich
vertraulich an Herrn Hubers Ohr: „Richten Sie Frau Seiler doch bitte aus, dass
ich sie in meinem Büro erwarte. Frau Santorius ruft durch, wenn mein Termin
beendet ist.“
Beim Herausgehen klopfte er Herrn Huber
freundschaftlich auf die Schulter.
„Schönen Gruß an Frau Seiler, die Luft ist
rein. Sie kann wieder an Deck kommen! Mast und Schotbruch!“
Wenn sich doch jetzt der Boden öffnen würde
und ihr ein Schlupfloch bieten könnte ...
„Knapp daneben ist halt auch vorbei, tät i
amoi sog`n! Sog
amoi Lisa, wos is´n do los?“
Lisa saß mit hochrotem Kopf an ihrem
Schreibtisch und
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